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Jan Reichow > Startseite > Texte > fürs Radio > Schostakowitsch: Symphonie Nr.1 op.10 Einführung (Sdg. 9.5.2009)

Konzertpause vor Schostakowitsch: Symphonie Nr. I op. 10
(nach dem Dvorak-Violinkonzert mit Janine Jansen)
SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, Leitung: Kirill Karabits
Internationales Bodenseefestival
SWR 2, 9. Mai 2009, 19.00 Uhr
Radio-Einführung von Jan Reichow
Redaktion: Dr. Lydia Jeschke

Man könnte doch einmal in die Musikgeschichte eintauchen, und den Charakter der real bevorzugten Tonarten untersuchen, - solange Tonarten noch eine Rolle gespielt haben.
Wie kommt es, dass die großen Violinkonzerte eben nicht in a-moll stehen, sondern in D-dur, G-dur, auch d-moll und g-moll? Natürlich, das hat mit den leeren Saiten der Violine zu tun, mit ihrem zugleich vollen und glänzenden Charakter; aber auch die leere A-Saite ergibt doch einen respektablen Grundton, und wir haben immerhin Mozart A-dur, - in a-moll das eine der beiden Bach-Violinkonzerte, dann gerade noch Spohrs Violinkonzert "in Form einer Gesangsszene" und dann erst wieder - Sie haben es im Ohr - Dvoraks Violinkonzert. Wenn Sie nun damit verglichen hören, wie Alexander Glasunow 25 Jahre später die Tonart a-moll in seinem Violinkonzert etabliert, so spüren Sie, was in diesem Zeitraum mit der Harmonik und der dominanten Rolle des Grundtons passiert ist:

1 Beispiel: Anfang des Glasunow-Violinkonzertes (bis Takt 9)

Anfang des Glasunow-Violinkonzertes (bis Takt 9) - Ms. Jan Reichow

Auf diese Akkord-Wendung läuft es zunächst hinaus, - es ist haargenau die gleiche wie bei Dvorak, wo es folgendermaßen ging:

2 Beispiel: Anfang des Dvorak-Violinkonzertes (ab Takt 7 bis Takt 13)

Anfang des Dvorak-Violinkonzertes (ab Takt 7 bis Takt 13) - Ms. Jan Reichow

Aber das Entscheidende spielt sich bei Glasunow in den Takten vorher ab: Chromatik heißt das Stichwort: der Glanz der leeren Saiten und der schieren Dreiklangsarpeggien ist den engeren melodischen Schritten gewichen. Es wäre übertrieben, dafür allein Richard Wagner verantwortlich zu machen: immerhin reagierte Glasunow 1890 auf eine Aufführung des Wagnerschen "Rings" in Petersburg mit einer künstlerischen Krise, die seine Musiksprache veränderte. Es gab sozusagen einen neuen Stand des Materials. (Der sich übrigens auch beim späten Dvorak niederschlägt.)
Wiederum 30 Jahre danach ist dieser Stand für den jungen Schostakowitsch, der in Glasunow, dem Direktor des Petersburger Konservatoriums, einen freundlich gesonnenen Schutzherren findet, die selbstverständliche Ausgangslage. Schon in seiner bedeutenden Studentenarbeit, dem Klaviertrio op.8, lässt er keinen Zweifel, dass die chromatische Verfügbarkeit der zwölf Töne seine Melodievorstellung prägt. Eine solche Harmoniefolge wie die, die wir eben bei Dvorak und Glasunow herausgepickt haben, ist gar nicht mehr denkbar. Stattdessen setzt der junge Mann bei einem vieldeutigen Phänomen an, das in der Harmonielehre als "Neapolitaner" bekannt ist und schon seit Bach zum Ausdruck des Leidens eingesetzt wird. In der Tat, er hat die Liebe kennengelernt, und konsequenterweise ist das Klaviertrio einer gewissen Tatiana Glivenko gewidmet.

3 Beispiel: Schostakowitsch Klaviertrio op.8 ab Anfang bis 0:30

Schostakowitsch Klaviertrio op.8 ab Anfang bis 0:30 - © MUSIKVERLAG HANS SIKORSKI GmbH & Co. KG, Hamburg - Abdruck mit frdl. Genehmigung

Wenig später entsteht aus dieser engen "neapolitanischen" Chromatik eine thematisch erweiterte, - größere Zusammenhänge werden sichtbar, es wird "gearbeitet", - Sie können auch sagen: geschwelgt.

4 Beispiel: Schostakowitsch Klaviertrio op.8 ab Ziffer 4 (Cello-Thema) 2:40 bis 3:15

Schostakowitsch Klaviertrio op.8 ab Ziffer 4 (Cello-Thema) - © MUSIKVERLAG HANS SIKORSKI GmbH & Co. KG, Hamburg - Abdruck mit frdl. Genehmigung

Soviel aus dem frühen Klaviertrio, dem op.8 von Schostakowitsch, niedergeschrieben in einer schwierigen Zeit: Dimitri war 16 Jahre alt, als sein Vater überraschend starb. "Die Familie befand sich nun am Rande des Abgrunds." (Meyer S. 39) Die Mutter musste eine Arbeit als Kassiererin annehmen, Dimitri erkrankte an Tuberkulose, wurde am Hals operiert; ein anschließender Sanatoriumsaufenthalt konnte nur dadurch ermöglicht werden, dass der Flügel verkauft wurde. Ja, und in der Kur auf der Krim sah er Tatjana, "zum erstenmal seit frühester Jugend", so schreibt ein Biograph, waren seine Gedanken "nicht völlig von der Musik in Anspruch genommen." Und das Erstaunlichste für ihn, den etwas linkischen Knaben: seine Liebe wurde erwidert. Vielleicht ist das die innere Geschichte des Trios, das er wenig später, im Herbst 1923, sorgfältig ausarbeitete.
Aber die Armut bleibt, und im Winter beginnt er, als Pianist im Kino zu arbeiten: er untermalt Stummfilme mit seinen Improvisationen; doch das Geld, das er verdient, reicht nicht einmal, die Miete zu bezahlen. Im übrigen, so äußerte er sich später, "lähmte die Arbeit im Kino mein Schaffen. Ich konnte überhaupt nicht komponieren, und erst als ich mich entschlossen hatte, das Kino aufzugeben, konnte ich wieder arbeiten." (Meyer S.42)

Die systematische Arbeit an seiner ersten Symphonie, die seine Examensarbeit werden sollte, war durch diese Situation erschwert worden; drei Sätze hatte er im Klavierauszug fertig, das Finale machte ihm Kopfschmerzen.
Doch die Freunde, denen er die fertigen Sätze am Klavier vorspielte, waren begeistert: Verblüfft von den neuen Ideen und der Methode, mit der er hier die Einzelheiten zu einem sinnvollen Ganzen formte, - viel weiter gespannt als im Klaviertrio, das noch aus einem einzigen großen Satz bestand. Eine neue Technik, Zusammenhang zu schaffen, ohne auf die vertrauten Mittel zu verzichten, z.B. in der Art, wie die schweifende Chromatik, die man aus dem Klaviertrio kannte, immer noch aufgefangen wird durch eine geradezu simple (fast banale) Gliederung der Melodie in Zweitaktgruppen. Vergleichen Sie nur:
Hier ist noch einmal das eben schon zitierte Trio-Thema, unmittelbar danach folgt zum Vergleich das Hauptthema des Kopfsatzes der Sinfonie.

5 Beispiel: Schostakowitsch Klaviertrio op.8 ab Ziffer 4 (Cello-Thema) Schostakowitsch Klaviertrio op.8 ab Ziffer 4 (Cello-Thema) - © MUSIKVERLAG HANS SIKORSKI GmbH & Co. KG, Hamburg - Abdruck mit frdl. Genehmigung


6 Beispiel: Symphonie Satz 1 Ziffer 8 (Klarinetten-Thema) 1:35 bis 2:01

Schostakowitsch Symphonie Nr. 1 Satz 1 Ziffer 8 (Klarinetten-Thema) - © MUSIKVERLAG HANS SIKORSKI GmbH & Co. KG, Hamburg - Abdruck mit frdl. Genehmigung

Allerdings sollte man nicht glauben, dass diese Musik allzuleicht zu durchschauen ist. Was auf den ersten Blick recht simpel angelegt zu sein scheint, kann sich als Parodie entpuppen. Wiegende Walzermotive werden unvermittelt mit spitzigen Staccato-Mustern durchsetzt. Und was hier so puppenartig gradeaus marschiert, wurde in seinen Elementen derartig sorgfältig vorbereitet, dass man gut beraten ist, erwartungsvoll dorthin zu schauen, wo sich nun der muntere Geisterzug wieder auflöst. Die aktive Mitarbeit ist wie immer - hier aber ganz besonders - ein entscheidendes Moment beim Zuhören, vor allem der Akt des Wiedererkennens der Motive in ihren verschiedenen Gestalten.

Sie werden es gleich am Anfang der Sinfonie erleben:
Das erste Motiv der Trompete ist wichtig, - ein Signal. Des weiteren hört man zwei dezidierte melodisch-rhythmische Linien, die sich komplementär zueinander verhalten: wenn die eine sich bewegt, hält die andere für den Moment still. Das ist Kontrapunkt. Dann wird harmonisch zusammengefasst. Und Stille.

7 Beispiel: Schostakowitsch Symphonie op.10 Tr. 1 ab Anfang bis 0:14 (endet mit Dominantseptakkord auf Fis)

Schostakowitsch Symphonie Nr.1 ab Anfang - © MUSIKVERLAG HANS SIKORSKI GmbH & Co. KG, Hamburg - Abdruck mit frdl. Genehmigung Schostakowitsch Symphonie Nr.1 ab Anfang Fs. - © MUSIKVERLAG HANS SIKORSKI GmbH & Co. KG, Hamburg - Abdruck mit frdl. Genehmigung

Ein traditioneller Akkord, der traditionsgemäß auch nach einer bestimmten Auflösung verlangt. Rund 25 Sekunden später wird sie geliefert, nämlich so:

8 Beispiel: Schostakowitsch Symphonie op.10 H-Dur-Akkord Blechbläser 1 Takt vor Ziffer 3, 0:39 bis 0:42

Schostakowitsch Symphonie Nr.1 H-Dur-Akkord Blechbläser vor Ziffer 3 - © MUSIKVERLAG HANS SIKORSKI GmbH & Co. KG, Hamburg - Abdruck mit frdl. Genehmigung

Das ist logisch absolut klar. Eine Antwort. Aber was in den 25 Sekunden bis hierher passiert, erweist sich als eine Antwort von unerhörter Raffinesse. Zunächst klingt es nach bloßer Wiederholung, anders instrumentiert: in Wahrheit wird es eine Erweiterung, - pochende Achtel, die in die "falsche" Tonart führen. Die Celli reagieren mit einem neuen Motiv, das einen Aufwärtssprung enthält, der von Horn und Trompete aufgegriffen wird. Ein Juchzer. Und dann - der Akkord - "Gedankenstrich".

9 Beispiel Schostakowitsch Symphonie op.10 Sinfonie Tr. 1 ab 0:14 bis 0:42

Schostakowitsch Symphonie Nr.1 Ausschnitt - © MUSIKVERLAG HANS SIKORSKI GmbH & Co. KG, Hamburg - Abdruck mit frdl. Genehmigung

Wenn Sie diese Elemente präzise in Erinnerung behalten, werden Sie auch später im Bereich des lyrischen Themas nicht ganz aus der Welt fallen: man könnte es Walzer nennen, aber dann mischen sich die pochenden Achtel ein.

10 Beispiel Schostakowitsch Symphonie op.10 Tr. 1 ab 2:31 bis 3:51

Schostakowitsch Symphonie Nr.1 Ausschnitt - © MUSIKVERLAG HANS SIKORSKI GmbH & Co. KG, Hamburg - Abdruck mit frdl. Genehmigung

Da hat sich das Motiv des Juchzers mit dem des Abwärtssprungs zusammengefügt. Sie haben miteinander zu tun. Es ist unglaublich reizvoll, was sich der junge Meister an Kombinationen hat einfallen lassen.
Und Jahrzehnte später, 1960, wenn der weltbekannte Komponist eine tragische Bilanz seines Lebens zieht, im Streichquartett Nr. 8, dann gedenkt er auch dieser genialen ersten Symphonie: er beginnt mit einem Vier-Ton-Motiv, einem Namenssymbol wie B-A-C-H, hier sind es die Tonbuchstaben seiner eigenen Initialen, D-ES-C-H, und gleich danach, der akzentuierte Ton der erste Geige, das ist der Beginn des Trompetenmotivs am Anfang der ersten Sinfonie, auch der anschließende Kontrapunkt wird zitiert. Es muss Ihnen ganz vertraut erscheinen, auch wenn es hier im Tempo sehr zurückgenommen ist, - eine ferne Erinnerung eben.

11 Beispiel Schostakowitsch Streichquartett op. 110 CD 3 Tr. 4 ab 0:28 bis 1:01

Schostakowitsch Symphonie Nr.1 Ausschnitt - © MUSIKVERLAG HANS SIKORSKI GmbH & Co. KG, Hamburg - Abdruck mit frdl. Genehmigung

Die Symphonie op. 10, zitiert im Streichquartett op. 110 !!! 1960.
Im Dezember 1925 hatte Schostakowitsch die Partitur und den Klavierauszug seiner Symphonie bei der Prüfungskommission des Leningrader (ehemals Petersburger) Konservatoriums eingereicht. Sein Kompositionslehrer war Maximilian Steinberg, einst Schüler und später Schwiegersohn von Rimsky-Korssakow, der wiederum auch Glasunow, Strawinsky und Prokofieff ausgebildet hatte.
Steinberg beurteilte die Symphonie - so wörtlich - "als Ausdruck höchsten Talents". Im Frühjahr 1926 durfte Schostakowitsch sein Werk gemeinsam mit einem Kommilitonen dem Direktor des Konservatoriums am Klavier vorspielen, Alexander Glasunow. Alle Zeichen standen günstig, aber der ihm im Prinzip wohlgesonnene Altmeister ließ es sich nicht nehmen, eine Stelle zu monieren.
Er war, so berichtet Schostakowitsch später, mit der Harmoniefolge in der Einleitung der Sinfonie unzufrieden, - wir haben sie vorhin gehört, und so stand es in den Noten:

12 Klavierbeispiel JR Schostakowitsch-Version s. Meyer S. 63 Bsp. 4

Klavierbeispiel zu Schostakowitsch Symphonie Nr.1 Original - Ms. Jan Reichow

Und folgendermaßen sollte es nach Glasunows Meinung korrigiert werden:

13 Klavierbeispiel JR Glasunow-Version s. Meyer S. 63 Bsp. 5

Klavierbeispiel zu Schostakowitsch Symphonie Nr.1 Version Glasunow - Ms. Jan Reichow

Eigentlich eine völlig überflüssige Veränderung, keine Verbesserung. Und dies ausgerechnet in den ersten Takten, - und alles andere sollte dann in Ordnung sein? Wohl eher eine Prinzip- und Prestigefrage.

"Natürlich hatte ich nicht den Mut zu widersprechen," so Schostakowitsch, "meine Ehrerbietung und Zuneigung für Glasunow waren viel zu groß und seine Autorität unangefochten. Einige Zeit später jedoch, (...) noch vor der Orchesteraufführung der Symphonie und dem Druck der Partitur, habe ich (...) meine Variante wieder eingesetzt und damit den Unwillen [Glasunows] hervorgerufen."
(Meyer S. 63)

Gleichwohl bescheinigte die von ihm geleitete Prüfungskommission dem jungen Komponisten "eine ausgeprägte, frappierende schöpferische Begabung."
Und schon bald zeichnete sich in den Proben der künftige Erfolg des Werkes ab.
Glasunow äußerte sich erstaunt über die meisterhafte Instrumentation: Eine Fertigkeit, die man normalerweise erst durch langjährige Erfahrung erlangt, zeigt sich hier schon in einem symphonischen Erstling. Und Mitja selbst - also Dmitri - war glücklich:
"Alles klingt - alles ist in Ordnung!"
Sein Lehrer Steinberg beobachtete ihn mit Sympathie bei den Proben: "Die Symphonie von Mitja klingt gut. Mitja selbst ist von seiner Musik und ihrem Klang so unbeschreiblich begeistert, daß es mir nur mit Mühe gelang, ihn in der Bekundung seiner Gefühle mit Hilfe heftiger Gesten zu bremsen."

Der zweite Satz riss dann auch die Leute von den Stühlen, er musste auf der Stelle wiederholt werden : Dieser groteske Humor, dieses ironische Temperament sollte lebenslang zu den unverwechselbaren Ausdrucksmitteln des Komponisten gehören.

14 Beispiel Schostakowitsch Symphonie op. 10 Satz 2 (Scherzo) Anfang ab 0:05 bis ca. 1:15 (unter folgenden Text)

Schostakowitsch Symphonie Nr.1 2.Satz Scherzo, Ausschnitt - © MUSIKVERLAG HANS SIKORSKI GmbH & Co. KG, Hamburg - Abdruck mit frdl. Genehmigung

Auf diesen Abschnitt des Satzes bezieht sich offenbar die Aussage eines Kenners und Analytikers der Musik Schostakowitschs:

"Der Mittelteil des Scherzos, der die große melodische Erfindungskraft des jungen Komponisten belegt, ist wohl dank der überaus originellen melodischen Linie, der Modalität und der Farbigkeit in der Orchestrierung einer der besten Teile des ganzen Werkes, obwohl deutlich an die russische Klassik des 19. Jahrhunderts angeknüpft wird."
(Meyer S.60)

Schostakowitsch Symphonie Nr.1, 2.Satz Scherzo, Ausschnitt - © MUSIKVERLAG HANS SIKORSKI GmbH & Co. KG, Hamburg - Abdruck mit frdl. Genehmigung

Damit tut man dem Rest des höchst originellen Werkes unrecht: mir scheint dies Thema eher aus einer folkloristischen Quelle zu stammen, vielleicht derselben, die Strawinsky für sein "Sacre du printemps" konsultiert hat; bei ihm lautet es folgendermaßen:

15 Beispiel Strawinsky "Sacre du Printemps" Tr.5 ab 9:16 bis 9:57

Igor Strawinsky, Le Sacre du Printemps, Ausschnitt - Ms. Jan Reichow

Es wird nicht ausdrücklich erwähnt, aber es könnte so gewesen sein, dass Schostakowitsch selbst den Klavierpart gespielt hat. Die Verwendung des Klaviers in einer Sinfonie war ja ein Novum und gehörte zu den kecken Einfällen des jungen Mannes, der ein hervorragender Pianist war.
2 Monate später, als in Charkow die nächste Aufführung der Sinfonie auf dem Programm stand, wartete auf den Komponisten eine pianistische Riesen-Aufgabe: das b-moll-Konzert von Tschaikowsky.
Meine Damen und Herren, auch wenn ich diejenigen, die diese Sinfonie zum ersten Mal hören, einer Überraschung beraube - ich möchte Sie auf eine extreme Solo-Stelle des Klaviers am Ende dieses wirbeligen Satzes hinweisen:

16 Tr. 2 Schostakowitsch Symphonie op.10 (Scherzo) Schluss ab 3:35 (Klavier stärker!) bis ca. 4:20 (Ende 4:50)

Schostakowitsch Symphonie Nr.1 2.Satz Scherzo, Ausschnitt - © MUSIKVERLAG HANS SIKORSKI GmbH & Co. KG, Hamburg - Abdruck mit frdl. Genehmigung

Und ich bin froh, Ihnen sagen zu können, dass es sich um drei a-moll-Akkorde des Klaviers gehandelt hat, so dass meine Tonarten-Obsession zu einem runden Abschluss kommt. Selbst eine Violine hätte das nicht effektvoller demonstrieren können.
Die Wirklichkeit des Konzertes aber, das nun gleich fortgesetzt wird, wird Ihnen darüberhinaus noch einen wunderbaren langsamen Satz bringen und ein Finale, das - wie Sie wissen - dem Komponisten schwer auf der Seele lag, als er alles andere schon fertig in der Schublade hatte.
Das Finaleproblem, der Gipfel der sinfonischen Konstruktion des Abendlandes, anno 1925, - und heute abend wieder einmal live.

Literatur

  • Krzysztof Meyer: Dmitri Schostakowitsch. Sein Leben, sein Werk, seine Zeit
    Aus dem Polnischen von Nina Kozlowski
    Atlantis Musikbuch-Verlag Schott Mainz 1998 ISBN 3-254-08376-8

Musik

  1. Antonin Dvorak: Violin Concerto A Moll op.53 0:25
    Christian Tetzlaff, Violine; Czech Philharmonic Orchestra, Libor Pesek
    Virgin Classics 00946 391346 2 5
  2. Alexander Glazunov: Concerto for Violin in A minor op. 82 0:25
    Gil Shaham, Russian National Orchestra, Mikhail Pletnev
    Deutsche Grammophon 457 064-2 (LC 0173)
  3. Shostakovich Piano Tros 1 & 2 Nr. 1 C-moll op.8 0:30
    Beaux Arts Trio
    Warner Classics 2564 625 14-2 (LC 04281)
  4. Shostakovich Piano Trios 1 & 2 Nr. 1 C-moll op.8 0:35
    wie 3
  5. Shostakovich Piano Trios 1 & 2 Nr. 1 C-moll op.8 0:16
    wie 3
  6. Dmitry Shostakovich Symphony No.1 in F minor Op.10 Satz 1 0:26
    Czech Philharmonic Orchestra, Karel Ancerl
    Supraphon SU 3699-2 011 (LC 00358)
  7. wie 6 0:14
  8. wie 6 0:05
  9. wie 6 0:28
  10. wie 6 0:40
  11. Dmitri Shostakovich: The String Quartets 0:33
    Quartett Nr. 8 in c-Moll op.110
    Emerson String Quartet
    Deutsche Grammophon 475 7407 (LC 0173)
  12. Schostakowitsch-Beispiel Klavier, Eigenaufnahme JR 0:20
  13. Glasunow-Beispiel Klavier, Eigenaufnahme JR 0:20
  14. Dmitry Shostakovich Symphony No.1 in F minor Op.10 Satz 2 1:10
    Czech Philharmonic Orchestra, Karel Ancerl
    Supraphon SU 3699-2 011 (LC 00358)
  15. Igor Strawinsky: "Le Sacre du Printemps" Ziffer 49 0:41
    Bundesjugendorchester, Matthias Bamert
    deutsche harmonia mundi HM 812-2 (LC 0761)
  16. Dmitry Shostakovich Symphony No.1 in F minor Op.10 Satz 2 0:50
    Czech Philharmonic Orchestra, Karel Ancerl
    Supraphon SU 3699-2 011 (LC 00358)

Notenbeispiele

  • © MUSIKVERLAG HANS SIKORSKI GMBH & Co. KG, Hamburg
  • © 1912, 1921 HAWKES & SON, Ltd.
  • (mit freundlicher Genehmigung)




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