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Jan Reichow > Startseite > Texte > fürs Radio > Musikpassagen 19. März 2007 Der Ruf des Frühlings...

WDR 3 Musikpassagen
Sendung 19. März 2007, 15:05 bis 17:00 Uhr
Skript und Moderation: Jan Reichow

"Wird's nicht eine schöne Welt?"
Der Ruf des Frühlings, - das glühend Messer in meiner Brust
819 Vogelstimmen, ein Melodietyp aus Afghanistan
und die "Lieder eines fahrenden Gesellen" von Gustav Mahler
Zu Gast: Dr. Andreas Schulze, Biologe und Tierfilmer


Redaktion: Bernd Hoffmann

Am Mikrofon begrüßt Sie Jan Reichow, - meine Damen und Herren:
Wird's nicht eine schöne Welt? so könnten wir doch an einem schönen Frühlingstag fragen, mit Gustav Mahler. Oder?
Oder zum Beispiel auch, mit Franz Schubert:

"Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
man weiß nicht, was noch werden mag,
Das Blühen will nicht enden;
Es blüht das fernste, tiefste Tal:
Nun, armes Herz, vergiß der Qual!
Nun muss sich alles wenden."
Wendet es sich wirklich? Alles?!

Frühlingsglaube heißt das Lied, und es ist sehr wahrscheinlich, dass eine Liebesgeschichte dahintersteckt; die Erfahrung eines harten Winters allein dürfte wohl nicht dazu führen, dass man von einer "Qual" des Herzens spricht.
Franz Schubert mit den Worten Ludwig Uhlands:
"Die linden Lüfte sind erwacht,
Sie säuseln und weben Tag und Nacht,
Sie schaffen an allen Enden.
O frischer Duft, o neuer Klang!
Nun, armes Herze, sei nicht bang!
Nun muss sich alles, alles wenden."
1) Franz Schubert: Frühlingsglaube D 686 Text: Ludwig Uhland 3:30
Christiane Oelze, Sopran; Irwin Gage, Klavier
WDR-Aufnahme 22.06.1997 Konzert Philharmonie Köln 5025 663 2
Christiane Oelze mit Irwin Gage am Klavier, am 22. Juni 1997 in der Kölner Philharmonie.
"Nun muss sich alles, alles wenden." Das ist die Botschaft des Frühlings.
Auch das Motto der Frühlingssinfonie von Robert Schumann lautet ähnlich:
"O wende, wende deinen Lauf / Im Tale blüht der Frühling auf!"
Wendet es sich wirklich? Alles? Ich will das Wort nicht aussprechen, an das man denkt, das aber hier nicht gemeint sein kann: ICH kann es nicht mehr hören - : "Klimakatastrophe". Wendet sich denn alles?
2) "Morgenstimmung im Illmitzer Wäldchen" 2:00
Naturaufnahmen Walter Tilgner
WERGO Spectrum SM 9008-2 / LC 0846

Vor 30 Jahren las ich das Buch "Der stumme Frühling" von Rachel Carson - und war zutiefst beunruhigt. Aber das Buch tat weltweit unerhörte Wirkung: und die Stimmen des Frühlings verstummten doch nicht, nach wie vor versichert er uns, dass die Welt so schön sein kann, wie die unschuldigen Vögel singen.
Die Natur ist uns geblieben! sagen wir, vielleicht naiverweise. Wir müssen ja nicht ... jede Vogelart aufzählen, die uns verloren gegangen ist.

Kürzlich las ich einen bedenkenswerten Essay in der Wochenzeitung DIE ZEIT:
Jeder weiß von einem drohenden ökologischen Kollaps, aber unterdessen ist uns auch der alte Begriff der Natur verlorengegangen, "sie ist den Sinnen vielfältig entzogen, der westliche Mensch misstraut all seinen Wahrnehmungen, weil die nicht angeben, was sich wirklich verändert...", so schreibt da Elisabeth von Thadden, und weiter:

"Aus dem Kollaps (aber) leiten sich Ratschläge für Naturfreundlichkeit nicht umstandslos ab. In den Empfehlungen, was ein jeder zur Abwendung der Katastrophe noch tun könne, steht nicht zu lesen, man möge lernen, den Gesang des Pirols von dem des Finken zu unterscheiden, ein Kind zu bekommen oder ein Gemüsebeet zu bestellen, um den Sinn fürs Lebendige wachzuhalten. Geraten wird, das Haus isolieren zu lassen, den Stromverbrauch durch Ausschalten des Stand-by-Modus zu reduzieren, aufs Ökoauto umzusteigen und im Übrigen politisch tätig zu werden. Kluger Konsum, klügere Technik, Politik: Sie sollen in westlichen Breiten das Naturverhältnis des Menschen bilden. (...)
Von Ressourcen ist inzwischen die Rede, von Effizienz und Zertifikaten, von Energie, Böden, Wasserverbräuchen. Natur? Fast alles ist genutzte, verschlissene Umwelt geworden. Die wissenschaftlich erfasste Natur bestimmt das Bild, das Computer einem vor Augen führen." (DIE ZEIT Nr.8 15.Februar 2007 S.30)
Welche Gefühle begleiten die Lektüre solcher Artikel?
Es ist ja kein Lamento, sondern eine Analyse, aber es antwortet, glaube ich, ein Schmerz darauf.
Es ist eine neue Qualität von Trauer, die von anderer Art ist als die seit Menschengedenken mit der Natur verbundene, die Trauer über privates Liebesunglück. Ob im Kontrast oder in elegischer Symmetrie zum Zustand der Natur.
3) Gustav Mahler: "Ging heut morgen übers Feld" 4:41
Lieder eines fahrenden Gesellen Nr. 2
Dietrich Fischer-Dieskau, Philharmonia Orchestra, Ltg. Wilhelm Furtwängler (1952)
EMI CDC 7476572 / LC 0542
"Nun fängt auch mein Glück wohl an? Nein! Nein!"
Warum denn nicht? Dies war das zweite Lied des vierteiligen Zyklus "Lieder eines fahrenden Gesellen", von Gustav Mahler in jungen Jahren gedichtet und vertont, nach einem schmerzlichen Liebeserlebnis. Das vorangehende Lied hieß: "Wenn mein Schatz Hochzeit macht, fröhliche Hochzeit macht, hab ich meinen traurigen Tag!" Und daran schließt sich dieses Lied vom Frühlingsglück der Natur, das ihn nicht trösten kann. Das darauf folgende, vorletzte Lied gipfelt in dem Todeswunsch: "Ich wollt' ich läg' auf der schwarzen Bahr, könnt nimmer, nimmer die Augen aufmachen!"
Die Aufnahme, die Sie in dieser Sendung hören, ist die erste mit Dietrich Fischer-Dieskau; sie entstand 1952 unter Wilhelm Furtwängler, der übrigens nicht gerne Mahler dirigierte.
Die melodische Formel der klagenden kleinen Sekunde, des absteigenden Halbtons, wird hier im "O weh" in ergreifender Weise intoniert. Sie bleibt in Mahlers Werk bis hin zu seiner letzten vollendeten Sinfonie präsent. Dort schrieb er an den Rand der Partitur: "Leb wol! Leb wol!" (sic!). Diesmal galt es seiner Frau Alma.
Und der fahrende Gesell in dem frühen Werk ist niemand anders als der heimatlose Jude, der das Phantom der blauen Augen und des blonden Haars beschwört.

4) "Wenn ich in den Himmel seh'" ab 1:02 bis 1:51
Zitat aus: Lieder eines fahrenden Gesellen Nr.3 "Ich hab' ein glühend Messer..."
Dietrich Fischer-Dieskau, Philharmonia Orchestra, Ltg. Wilhelm Furtwängler (1952)
EMI CDC 7476572 / LC 0542
Dieser Klagelaut hat eine unendliche Geschichte: wenn wir an die phrygische Kadenz am Ende des Liedes "O Haupt voll Blut und Wunden" denken, oder an die absteigende Formel der Chaconne, und es geht weiter zurück in andalusische Flamenco-Kadenzen, in den arabischen Maqam Kurdi, in zahllose Lieder Afghanistans und in den indischen Raga Bhairavi.

Aber bleiben wir zunächst im Abendland:
Monteverdis "Lamento della Ninfa".

5) Monteverdi "Amor" Tr. 7 Anfang 0:59
Claudio Monteverdi "Amor" aus "Lamento della Ninfa"(Libro 8)
Marjanne Kweksilber, Sopran, Marius van Altena, Tenor, Michiel ten Houte Lange, Tenor, Floris Rommerts, Bass;
Cembalo und Leitung: Gustav Leonhardt
RCA Victor SEON GD 71951 / LC 0316

Liebesklage auch bei den Franzosen:

6) Campra "Mes Yeux" Tr. 17 ab 2:36 bis Ende (3:52)
André Campra: "L'Europe Galante" Letzter Teil: "La Turquie"
Air Zaïde "Mes Yeux" (André Destouches) 1697
Marjanne Kweksilber, Sopran
La petite Bande
Ltg. Gustav Leonhardt
EMI / deutsche harmonia mundi CDM 7 69282 2 / LC 8586

Totenklage bei Johann Sebastian Bach, der die Formel in dieser Form von Vivaldi übernommen hatte.

7) Bach H-moll-Messe CD II Tr. 5 ab 0:14 bis 1:42
Johann Sebastian Bach: "Crucifixus" aus Messe in H-Moll BWV 232
RIAS Kammerchor, Akademie für Alte Musik Berlin, Ltg. René Jacobs
BERLIN Classics BC 1063-2 / LC 6203

Nach Bach, in der Zeit der Empfindsamkeit, wird der Seufzer fast zur gängigen Münze, die Bach freilich bereits perfekt zu handhaben wusste.

8) J.S.Bach: Wohltemperiertes Klavier II, Praeludium f-moll Tr.23 bis 0:30
Johann Sebastian Bach: "The Well-Tempered Clavier Vol. II" Praeludium f-moll
Evgeni Koroliov, Piano
TACET 104 LC 07033
9) Rufe des Waldkauzes (s. Vogelstimmen CD 7/22) 0:35

Den Ruf des Waldkauzes hat niemand je als verliebtes Seufzen gedeutet, obwohl er zur Balz gehört. Die Eule als Vogel der Weisheit, zugleich Begleiterin der Hexen und der Huren. Vogel der Aufklärung und zugleich Geselle der Lust - auch und gerade der sexuellen -, Wappenvogel der Heilkunst, Patron der überschwenglichen Trinklust. Künder des Todes, des Leides, nächtlicher Depressionen; dieser krummschnäbelige Unglücksbote; dieser Künder flächendeckender Seuchen, Leichenhuhn und Teufelsbraten; Gesell des Satans und der Hexen. Als "Judenvogel" wurde die Eule deklariert, eine gezielte Infamie gegen die sogenannten "Gottesmörder". Man glaubte, die Eulen würden in den Kirchenampeln das Öl aussaufen. Andererseits stand vom Käuzchen geschrieben, "dass es die Nacht mehr liebt als den Tag. Also hat auch unser Herr Jesus uns geliebt, die wir in Finsternis und Schatten des Todes saßen."
Klagt es über uns oder ruft es nach uns? Böses ahnend, verstand man das "Huhu" des Männchens als "O weh", und das "Kiwitt" des Weibchens, das gleich im Hintergrund zu hören ist, als "Komm mit"! Und jeder, der in dieser Zeit starb, befestigte die verhängnisvolle Legende des armen Käuzchens, das wahrhaftig uns Menschen gar nicht meint...
(Frei nach "Mythos Vogel" von Claus-Peter Lieckfeld / Veronika Straaß BLV München 2002 S. 60 f ISBN 3-405-16108-8)

10) Waldkauz (s. Vogelstimmen CD 7 Tr. 22) 0:10
11) Mahler "Wenn ich in den Himmel seh'..." Tr. 3 ab 1:22 bis Ende 3:22
Zitat aus: Lieder eines fahrenden Gesellen Nr. 3 "Ich hab' ein glühend Messer..."
Dietrich Fischer-Dieskau, Philharmonia Orchestra, Ltg. Wilhelm Furtwängler (1952)
EMI CDC 7476572 / LC 0542
12) Sprosser (s. Vogelstimmen CD 11 Tr. 6) 1:40

Ich habe vorhin die phrygische Tonart erwähnt:
Zahllose Lieder Afghanistans, und durchaus nicht nur die traurigen, auch die fröhlichen, stehen in diesem Modus, der den Grundton über einen Halbtonschritt abwärts erreicht. Ein verbreitetes Melodiemodel, das Farkhari-Lied, das mit vielen unterschiedlichen Texten gesungen wird, ich werde nie die Version vergessen, die uns der hünenhafte Sänger Faiz Mohammad Mangal aus Badakhshan und sein kleiner Sohn Niaz Mohammad im Frühling des Jahres 1974 in Kabul gesungen hat. Begonnen hatten sie mit folgendem Text im Wechselgesang:


Faiz:
"Liebe Leute, wir sind das afghanische Volk.
Wie die Nachtigallen sind wir Tag und Nacht im Blumengarten."
Niaz: "Wie die Turteltauben singen wir auf den Blütenzweigen,
und am frühen Morgen singen wir wie die Nachtigallen."
Faiz: "Wir sind dankbar für das, was uns das Leben Gutes geschenkt hat, / wir sind ein eifriges und ehrliches Volk."
Niaz: "Tapfer wie die Löwen und treu wie die Leoparden.
Wir sind die Wächter unseres Vaterlandes, wie die Löwen."

Die Melodie des dann folgenden Farkhari-Liedes schien der Schroffheit der Berggiganten ihrer Heimat Badakhshan geradezu Widerstand zu leisten in dem Beharren auf einer Grundtonebene, mit einzelnen Hügeln und einer starken Kontrastebene, die einen Halbton höherliegt, eine Reibungsfläche, die zum Inhalt passt:

"Seit ein paar Tagen sind wir voneinander getrennt.
Wann werden wir wieder vereint? Wenn Gott meine Wünsche fühlt,
sind wir schließlich zwei Körper mit einer Seele."
Ein Lied aus männlicher Sicht, aber Faiz Mohammad und sein Junge wechseln strophenweise, so dass man den Eindruck eines Zwiegesprächs hat.
13) Das Farkhari-Lied Tr. 5 6:26
Farkhari Song, Lovesong from Badakhshan
Faiz Mohammad Mangal, Gesang und Dambura; Niaz Mohammad, Gesang und "Santur" (Steine)
World Network 28 Afghanistan 56.986 / LC 6759
Im zweiten Teil des Liedes wird die "Reibungsfläche" der kleinen Sekunde überboten durch einen höheren Ton, der auch vorher schon deklamatorisch angesteuert wurde und nun den vorherigen Teil überbietet:
"Oh meine Liebe, es ist nun Frühling geworden, wann kommst du zu mir?
Überall sind Blumen! Du hast mir versprochen, du kämst im Winter, wenn der Schnee liegt;
nun ist der Schnee geschmolzen, wo bleibst du?"
(Musik hoch bis Ende, 6:26)

Der Vogel Bulbul, der in zahllosen afghanischen Liedern vorkommt, wird allgemein als Nachtigall übersetzt und verstanden.
Bülbül, der persische Name der Nachtigall, so lese ich, wurde durch Goethes "West-östlichen Diwan" sowie durch Rückert und Platen auch in die deutsche Poesie eingeführt.
Die Nachtigall dient mit ihrem süßen Gesang nicht nur als Symbol der Liebessehnsucht, sondern wird auch im mystischen Sinn als menschliche Seele gedeutet, die nach Vereinigung mit der Gottheit strebt.
Angenommen, dies wäre nun wirklich dem Gesang zu entnehmen, so müsste man doch genau wissen, wie der klingt, nicht wahr? Es ist doch keine Kleinigkeit - das mystische Ziel der Seele...

Es könnte sein, dass unsere Nachtigall auch in Nordafghanistan zuhaus ist und dass sie dort Bulbul genannt wird, während die wirklichen Bulbul- oder Bülbül-Arten in südlicheren, tropischeren Regionen leben. Und dass der Vogel Bülow wieder ein ganz anderer ist, so genannt, weil sein Ruf in deutschen Ohren wie "Büdliow" klingt, während er sich persönlich, um nicht mit dem recht namhaften General von Bülow verwechselt zu werden, vielleicht lieber als Pirol bezeichnet sähe.
Unter den echten Bülbüls besticht mich am meisten der Graubülbül, den ich in einer neuen Sammlung von Vogelstimmen gefunden habe, die einen schier unglaublichen akustischen Reichtum ausbreitet. Und doch fällt der Graubülbül vor allem deshalb besonders auf, weil er einen absolut präzisen Rhythmus realisiert und zwar mit den ziemlich genau getroffenen Tönen eines g-moll-Sextakkordes, - wovon er vermutlich nichts weiß.
Ich verstehe ihn so: (pfeifen!)
Und hier ist er selbst:
14) Vogelstimmen CD 10/3 Graubülbül 0:19
Der Graubülbül. Sein entfernter Verwandter dagegen, der Gelbsteißbülbül, verfügt nicht über den hohen Ton, stützt sich aber im übrigen auf das gleiche Register und ordnet nur die Töne anders. Sie hören je ein singendes Männchen im Vorder- und Hintergrund.
15) Vogelstimmen CD 10/1 Gelbsteißbülbül 0:43
Die Sammlung, aus der ich hier zitiere, besteht aus 17 Audio-CDs mit den Stimmen von 819 Vogelarten aus Europa, Nordafrika und Vorderasien.
Man könnte sagen: das ist doch nur was für Wissenschaftler, kein vernünftiger Mensch reist mit einer solchen Sammlung durch die halbe Welt, um in Sumpf- oder Wüstengebieten, im Unterholz der Wälder oder in Auenlandschaften die Unterarten und Seitenzweige irgendwelcher Vogelarten nach ihren Rufen zu bestimmen; und hier zuhaus im Garten reicht doch wohl eine kleine Präsentation von 10 oder 12 Sängern, so dass man eine Schwarzdrossel von einer Singdrossel, ein Mönchsgrasmücke von einem Zaunkönig unterscheiden kann.
Ich sage Ihnen aber ganz ehrlich: wer musikalisch motiviert ist, kann gar nicht genug bekommen.
Der Komponist Olivier Messiaen behauptet:
"Die Vögel sind die größten Komponisten, die unseren Planeten bewohnen",
und es mag sein, dass er aus lauter Liebe übertreibt; andererseits müsste man es vielleicht nur etwas anders formulieren, und schon weiß jeder, was gemeint ist: die Vogelstimmen insgesamt genommen sind der musikalisch unmittelbarste Ausdruck unseres Planeten, - die Menschenmusik dagegen - um es einmal negativ auszudrücken - ist ausgeklügelt, künstlich durchseelt, mit komplizierten Bedeutungen beladen und mit einem Riesenaufwand inszeniert, sie zielt auf etwas ganz anderes, ABER: sie setzt uns zugleich instand, weit außerhalb ihres Reviers musikalisch zu reagieren und all die rührenden, zarten, penetranten, Lautäußerungen der Natur "zweckfrei" wahrzunehmen und über sie nicht minder zu staunen als über das perfekt konstruierte und farblich abgestufte Federkleid eines Paradiesvogels, eines Grünspechtes oder eines Dompfaffs.
Hören Sie nur dessen feine Haltetöne im scheinbar absichtslosen Gezwitscher.
Und Ähnliches in Robert Schumanns genialem Klavierstück "Vogel als Prophet", mit dem Mittelteil, in dem der Mensch zu sprechen anhebt, mit humanem Wohllaut, - und alsbald wieder untergeht in den rätselhaften Figuren des Vogels.
16) Vogelstimmen 16/88 Gimpel 0:46

17) Schumann "Vogel als Prophet" Koroliov 3:31
Robert Schumann: "Vogel als Prophet" aus: "Waldszenen" op.82
Evgeni Koroliov, Piano
TACET 153 / LC 07033

18) Vogelstimmen 16/88 Gimpel 0:46
Robert Schumann "Vogel als Prophet", gespielt von Evgeni Koroliov, und die Stimme des Gimpels oder Dompfaffs, CD 16 Track 88, eins von 2.817 Tonbeispielen, - Stimmen, Rufe, Gesänge von 819 Vogelarten, festgehalten und säuberlich geordnet auf 17 CDs.
Am Stadtrand von München lebt der Biologe und Naturfilmer Dr. Andreas Schulze, der für diese Riesensammlung von Vogelstimmen verantwortlich zeichnet. Ich habe ihn kürzlich aufgesucht und dazu befragt, angefangen mit der einfachsten Frage:
Warum singen die Vögel überhaupt?

19a) Interview Andreas Schulze: Warum singen die Vögel? 1:20
Die Vögel singen - es sind meistens die Männchen, die singen -, um ein Weibchen anzulocken, um ein Revier abzugrenzen, um andere Männchen zu vertreiben oder am Näherkommen zu hindern und um im Grunde auszudrücken: Hier bin ich, verschwinde hier, dieses Revier gehört mir!
Und, wie gesagt, um ein Weibchen anzulocken, und wenn sich dann ein Weibchen gefunden hat, dann singen die Männchen ja oft noch weiter eine gewisse Zeit lang, und dann dient das Singen der Festigung der Paarbindung. Man vermutet, dass die Weibchen schon den Gesang als Merkmal für die "Qualität" des Männchens betrachten, d.h. das Männchen, was besonders gut und differenziert singt, ist wahrscheinlich attraktiver als ein Männchen, was "stümperhaft" singt.
Und so kann man sich erklären, dass die Spötter unter den Vogelarten - es gibt ja viele Vogelarten, die andere Vogelarten nachahmen oder die auch andere Geräusche von anderen Tieren, die keine Vögel sind, in ihren Gesang einbauen, dass die möglichst interessant und differenziert singen, weil sie dann attraktiver für die Weibchen sind.

19b) Interview Andreas Schulze 1:05

Wenn der Vogel singt, ist er natürlich in großer Erregung. Das sieht man daran, wie er das Gefieder am Kopf sträubt, in vielen Fällen, und wie er immer wieder den Kopf hin und her dreht; es kommt also oft vor, dass ein Vogel mal in diese Richtung singt und dann den Kopf dreht und in die andere Richtung singt. Das hängt damit zusammen, dass der Gesang natürlich möglichst weit zu hören sein soll, damit das Revier in möglichst verschiedene Richtungen hin auch abgegrenzt wird.
Die Vögel hören sich selbst gegenseitig sehr genau zu, das kann man ganz einfach feststellen, indem man Vogelstimmen von der CD her vorspielt, dann wird in vielen Fällen ein Vogel herbeigeflogen kommen, der da einen Rivalen vermutet. Wenn man beispielsweise den Gesang eines Feldschwirrls vorspielt - also dort, wo natürlich Feldschwirrle vorkommen, nur dort hat es Sinn -, dann wird ziemlich schnell ein anderer herbeikommen und schauen, was da los ist. Wo ist hier das Männchen, der Rivale, und der muss dann verscheucht werden.
Man kann also sagen: die Vögel haben ihre Umgebung ständig unter Kontrolle und achten sehr genau darauf, ob irgendwo ein Artgenosse zu hören ist, der als störend empfunden wird. Dann kommt sofort die Reaktion.

Soweit Andreas Schulze, der Herausgeber und Bearbeiter der Vogelstimmensammlung.

Als Musiker sehe ich das vielleicht verspielter als es sich ein systematischer Wissenschaftler leisten kann. Man muss sich nur einmal einer kleinen Übung unterziehen und drei oder vier verwandte Arten untersuchen, - was heißt untersuchen? Ihnen so aufmerksam zuhören, als sei in ihren unterschiedlichen Verlautbarungen ein tiefes Geheimnis verborgen,- akustische Hieroglyphen, die es zu entziffern gilt:
Hier ist zweifellos eine fortlaufende Erzählung, ein tönendes Band aus Gezwitscher, da und dort heben sich klare Töne, sogar Motive heraus. Wie oft? Sind es immer dieselben? Ist es der Vogel, der sie heraushebt, oder ist es allein unser Ohr?
Dass die Vögel von uns "Spötter" genannt werden, muss ja nichts heißen, - Andreas Schulze hat eben schon ein Stichwort gegeben: "Erregung". Allzuleicht deutet man das Tirilieren als bloßen fröhlichen Zeitvertreib, aber es ist biologisch zwingend notwendig, mit starker "Erregung" verbunden, vielleicht sogar mit einem ausgesprochen kreativen Trieb...
Beim Blassspötter handelt es sich offenbar um eine Mischung aus Repetition und Permutation: Sie hören in dem rhythmisch gleichförmig zuckenden Band immer wieder ein viertöniges Motiv, mit dem der Gesang gleich auch abbrechen wird.
20) CD 13/46 Blassspötter

Der Orpheusspötter dagegen hat leuchtende Einzeltöne in sein Zwitscherband eingearbeitet, später auch ein rhythmisch prägnantes Zweitonmotiv.

21) CD 13/57 Orpheusspötter

Und der Gelbspötter arbeitet mit ganz merkwürdigen, gewissermaßen elektronisch eingefärbten Tönen.

22) CD 13/55 Gelbspötter

Das ist einfach fabelhaft und wird um so merkwürdiger, je öfter man es hört. Wir werden diesen Stimmen später noch einmal im erweiterten Zusammenhang begegnen.
Ich bin allerdings im Zweifel, ob ein nach Menschenart verständiger sprechender Vogel dieselben Merkmale hervorheben würde wie ich. Vermutlich kann er in kürzeren Zeitabschnitten, in denen wir nur die wiederkehrenden, hervorstechenden Töne beachten, auch alle Varianten innerhalb des "Zwitscherbandes" registrieren und ... ästhetisch einordnen.
Habe ich "ästhetisch" gesagt?
Wer in der Wissenschaft mit solchen Unterstellungen operiert, begibt sich in Gefahr. Andreas Schulze ist vorsichtig, aber er verweist auf einen Pionier in dieser Sache, Erwin Tretzel, ehemals Professor an der Universität in Kaiserslautern.

23) Interview Andreas Schulze: 2:36

Man hat sich oft gefragt: Haben die Vögel eigentlich ein musikalisches Empfinden, ein ästhetisches Enpfinden, so ähnlich wie der Mensch? Die moderne Biologie neigt dazu, das zu verneinen. Es gab aber immer schon Stimmen, die gesagt haben, ja, die Vögel haben ein ästhetisches, musikalisches Empfinden.
Einer der prominentesten Vertreter dieser Anschauung war der Professor Tretzel, ein Bio-Akustiker, Lehrstuhlinhaber aus Kaiserslautern, der vor wenigen Jahren verstorben ist. Er konnte das aber nie beweisen. Er hat also nur Analogieschlüsse vorlegen können; den abschließenden Beweis blieb er schuldig, - ob die Vögel tatsächlich ein musikalisches Empfinden haben oder nicht. Er war deshalb dieser Ansicht, weil der festgestellt hat, dass es unter den Gartengrasmücken sehr, sehr gute Sänger gibt, die viel spotten, d.h. die andere Vogelstimmen nachahmen und dabei aber verändern; die z.B. Buchfinkenstrophen ganz raffiniert verkürzen, und er meint: das kann man nur mit einem musikalisch-ästhetischen Empfinden erklären. Bei anderen Vogelarten hat er das auch festgestellt; er hat sich damit ausführlich beschäftigt.
Das Problem bei dieser Sache ist, dass man das nicht beweisen kann. Man kann nicht in den Vogel reinschauen, um es mal ganz banal auszudrücken; wir wissen nicht, was er tatsächlich denkt, der Vogel. Wir können nur von uns versuchen auf ihn zu schließen. Das ist aber problematisch, da beißt sich die Wissenschaft schon seit Jahrhunderten die Zähne aus.
Die Vögel haben ein besseres Hörvermögen als der Mensch, und deshalb ist es so, dass manche Laute, die die Vögel von sich geben, für die Vögel gut hörbar sind, für den Menschen aber nicht. Es gibt also bei den sehr hohen und feinen Vogelstimmen immer eine bestimmte Anzahl von Geräuschen, die der normale Mensch nicht mehr hören kann, der Vogel aber sehr wohl. Der Vogel nimmt natürlich auch alle Geräusche wahr, die ein Artgenosse von sich gibt, dafür sind sie ja gedacht: Sie richten sich in erster Linie an den Artgenossen. Es gibt aber auch manche Rufe, die ... auch für andere Vogelarten verständlich sind, das sind bestimmte Warnrufe vor Greifvögeln. Wenn ein Sperber plötzlich auftaucht, ein Feind vieler Singvögel, dann geben die Blaumeisen, die Amseln und manche andere Arten genau den gleichen Ruf von sich, ein sehr hohes, feines "Siiiih", und diesen Ruf verstehen dann viele verschiedene Vogelarten gleichzeitig und können sich dann rechtzeitig in Sicherheit bringen. Also er ist so etwas wie Esperanto, wenn man so möchte... eine universelle Sprache unter den Vogelarten.

Von Erwin Tretzel, der eben erwähnt wurde, gibt es eine berühmte Arbeit aus dem Jahre 1965, in der er beschreibt, wie die Haubenlerche einen Schäfer imitierte, der mit drei verschiedenen Pfiffen seinen Hütehund lenkte. Sie baute die Pfiffe in ihren Gesang ein, und zwar so genau, dass der Hund gehorsam darauf reagierte, aber nicht nur das: sie verbesserte die Pfiffe, die der Schäfer in Tonart und Rhythmus achtlos nachlässig behandelte, versetzte sie auf eine klare, bleibende Tonhöhe, aufsteigend c-e-g-a und hohes c, und sie verpasste ihnen einen Viervierteltakt. Ehrlich! So steht es da!
Später (1997) berichtete der Forscher über Schamadrosseln, die im Käfig gehalten, aber auch gut unterhalten wurden: er brachte ihnen zahllose Tonleitern bei, die sie nicht nur notengetreu wiedergaben, sondern auch weiterentwickelten, dynamisch veränderten, mit kleinen Umrahmungen versahen. Umrahmungen mit vorbereitenden und ausklingenden Lautgruppen, so schreibt er wörtlich, "wodurch ein gefälliger musikalischer Satz entstand, der auf ein besonderes Formgefühl und kompositorische Fähigkeiten schließen läßt."

"Formgefühl und kompositorische Fähigkeiten", es steht tatsächlich da, die Worte eines bedeutenden Wissenschaftlers, des Ornithologen Erwin Tretzel, nicht die eines Musikers, dem in der Not immer noch das Wünschen geholfen haben könnte. Und die Phantasie.
Ich habe es mir nicht nehmen lassen, einfach mal in diesen gewaltigen Fundus hineinzugreifen und die für mich schönsten musikalischen Entdeckungen aneinanderzureihen. Egal, ob die kleinen Freunde komponieren oder nicht; die Natur komponiert mit ihnen! Ich kommentiere ein wenig, damit sich die Ohren auf jede Äußerung gesondert einstellen, von den einzelnen Namen sollten wir uns nicht verwirren lassen; zwischendurch wird Andreas Schulze erzählen.

Vogelstimmen-Block A
Die Zwergdrossel beginnt mit einem klaren, wiederholten Rufton, danach die Erddrosselmit einem zweigeteilen: sehr hoch und dünn, dann tief und voll, antithetisch, das Intervall einer Septim.
24) CD 10/42 Zwergdrossel
25) CD 10/36 Erddrossel
Die Walddrossel mit einem reich geklüfteten Motiv, darin ein regelmäßiges "didliö"; anschließend die Einsiedlerdrossel mit klarem Dreiklang, genauer: aufsteigendem Quartsexakkord und getrillerten Zweitonintervallen im Ausklang:
26) CD 10/38 Walddrossel
27) CD 10/40 Einsiedlerdrossel
Der Graubülbül mit seinem präzise rhythmisierten Dreiklang, wieder die Töne des Quartsextakkordes, dann die Rotdrossel mit erst 5, dann 6 lauten Tönen, chromatisch etwas absteigend, gefolgt von leise gezwirbelten Tontrauben, und das 6-Ton-Motiv verändert sich in 3 mal 2 fallende Terzen
28) CD 10/3 Graubülbül
29) CD 10/67 Rotdrossel
Der Heckensänger beherrscht ein zweigeteiltes Motiv: dittiditti te túm (absteigend) und tatata-tüm (aufsteigend).
Vorder- und Nachsatz, wenn Sie so wollen.
30) CD 11/1 Heckensänger
In der Strophe des Fahlbürzels erkennt man einen etwas von Knacklauten durchsetzten Dreiklang mit ausgeprägtem Sextsprung (genau vormachen!), der anschließende Sekundgang abwärts etwas verzittert.
Und noch etwas Merkwürdiges hat er drauf: einen schnell sich drehenden glissando-Triller, auf- und absteigend.
31) CD 11/52 Fahlbürzel-Steinschmätzer
Der Rußschmätzer bietet Alternativen über den Quartraum an: di-da-drr tetem und ta-to-timm.
32) CD 11/35 Rußschmätzer
Der Sprosser und die Nachtigall. Er mit zackigen und swingenden Rhythmen, auch stark glucksenden Lauten, in den Einzelstrophen die Motive eilig wechselnd.
Alles sehr volltönend, ein kraftvolles Temperament!
33) CD 11/6 Sprosser
Nah verwandt und doch ganz anders der Nachtigallenschlag, distinguierter vielleicht, mit der Spezialität scharf gezogener Crescendotöne, die als Ausdruck der Sehnsucht gedeutet wurden. Menschensehnsucht...
34) CD 11/8 Nachtigall (unter folgenden Text)
35) Interview Andreas Schulze

Diese Serie "Die Vogelstimmen Europas, Nordafrikas und Vorderasiens" zu machen, das war eine jahrelange Arbeit. Ich habe über viele Jahre hinweg Kontakt aufgenommen mit Leuten, die Vogelstimmen aufgenommen haben, mit Spezialisten, z.B. aus Frankreich, da gibt's sehr gute Leute, ich hab auch eigene Aufnahmen aus meinem Archiv verwendet. Das ganze Material von über hundert verschiedenen Autoren wurde dann ausgewählt, erstmal natürlich gesichtet, die allerbesten Aufnahmen dann zusammengetragen. Die Aufnahmen sind danach ausgewählt worden, wie die Qualität ist, es gab bei manchen Vogelarten sehr viele Aufnahmen zur Auswahl, da hat man natürlich das beste genommen, aber es gab auch Vogelarten, wo nur sehr wenig zu bekommen war, da musste man sich dann begnügen mit dem, was man gekriegt hat. Die Aufnahmen sind dann nachträglich noch gefiltert worden, also ein bisschen bereinigt worden, wir haben versucht, Störgeräusche, soweit es ging, auszufiltern oder rauszuschneiden, Fluzeuglärm und ähnliche Dinge.
Das Ziel der Serie war, alle Vogelarten Europas, Nordafrikas und Vorderasiens vorzustellen, sowohl die Brutvögel wie die Gäste, die also nicht hier brüten, in diesem Raum, sondern nur auf dem Durchzug vorkommen, und bei den wichtigsten Arten hat man dann auch noch, wenn man es bekommen hat, Laute der Nestlinge, als Rufe der Nestlinge, vorgestellt. Da gibt es sehr wenig auf dem Markt, muss man dazusagen. Das waren zum großen Teil auch Aufnahmen von mir selbst, weil ich im Zusammenhang mit meinen Filmarbeiten für das Fernsehen immer wieder auch die Rufe von Jungvögeln aufgenommen habe, die in Nestern sind.

Vogelstimmen-Block B Fortsetzung unserer Motiv-Kollektion: die östliche Orpheusgrasmücke hat es mit klaren, starken Motiven, immer mehrere aneinandergereiht in einer Strophe.
36) CD 13/32 Östliche Orpheusgrasmücke
Der liebenswerteste Schwätzer schlechthin: die Mönchsgrasmücke: jede Strophe ein Band weit ausschlagender Intervallbewegungen.
37) CD 13/43 Mönchsgrasmücke
Der rhythmisch raffinierte Gesang des Blassspötters, darin regelmäßig verteilt das 3-Ton-Motiv 0 00
38) CD 13/46 Blassspötter
Der leicht nervöse, oder besser: kreativ erregte Buschrohrsänger, mit Sehnsuchtstönen, Pink-Rufen, klaren Rhythmen; und der Mariskenrohrsänger mit feinchromatisch aufsteigenden Rufen und Gezwitscher
39) CD 14/8 Buschrohrsänger
40) CD 14/1 Mariskenrohrsänger
Der Seidensänger ist ein konsequenter Rhythmiker: 1 Ton, eine 5-Ton-Traube, und ein 2-Ton-Doppel-Motiv. (vormachen!) Gleich danach der Riesenschwirl mit einem derart kühn gezackten Motiv: man glaubt es nicht!
41) CD 14/21 Seidensänger
42) CD 14/38 Riesenschwirl
Und noch einmal der Gimpel oder Dompfaff mit seinem zarten Gezwitscher und den wunderschön gedehnten Einzeltönen, nach oben oder nach unten herausgestellt.
Dann der Bluthänfling mit seinem etwas rauheren Gezwitscher, in das aber - wie kleine Blinklichter - liebliche Seufzer eingefügt sind.
Während sich dann als dritter im Bund der Wüstengimpel meldet, leicht erkennbar an dem ersten Signal, das einer Kindertrööte ähnelt. Aber zum Ausgleich verfügt er auch über niedliche schnelle Terzschleifer.
43) CD 16/88 Gimpel
44) CD 16/63 Bluthänfling
45) CD 16/81 Wüstengimpel
46) Interview Andreas Schulze

Das Sammeln von Vogelstimmen war in den 1960er und 1970er Jahren mal ein recht verbreitetes Hobby, viele Leute, die das gemacht haben, die ein Spulentonbandgerät gehabt haben damals, z.B. von der Firma Uher, - das ist heute fast völlig verschwunden, es gibt kaum noch Leute, die Vogelstimmen aufnehmen, mit Ausnahme von einigen wenigen Wissenschaftlern, da das dann für ihre Zwecke brauchen, solche Aufnahmen, um sie auszuwerten; aber als Hobby von Nicht-Wissenschaftlern trifft man das kaum noch an. Das kann man sich am ehesten dadurch erklären, dass sie Umwelt akustisch heute viel stärker verschmutzt ist als früher. Man findet kaum noch Bereiche bei uns, die zufriedenstellende Tonaufnahmen von Vogelstimmen ermöglichen, meistens sind Flugzeuge im Hintergrund zu hören, oder Autos oder andere Störgeräusche, das hat in den letzten Jahrzehnten enorm zugenommen, und das verleidet dann solchen Hobbysammlern den Spaß, und die beschäftigen sich dann lieber mit anderen Dingen, die fotografieren oder filmen dann lieber, da gibt es sehr, sehr viel Leute, die das machen, viel mehr als früher.
Mein Schwerpunkt beim Filmen war immer schon die Vogelwelt, weil mich das einfach am meisten interessiert hat. Zum Teil auch Säugetiere, manchmal auch Schmetterlinge oder andere Insekten. Aber der Schwerpunkt ist die Vogelwelt, und hier vor allem Tiere, die man mit dem Tarnzelt überlisten muss, d.h. ich habe mich darauf spezalisiert, Tiere zu filmen, die verhältnismäßig scheu sind und die man nur aus dem Tarnzelt gut bekommen kann, ich beobachte sie aus wenigen Metern Entfernung, Vögel oder andere Tiere, die sonst aus 100 oder 200 Metern Entfernung schon vor dem Menschen flüchten, und das sind dann ganz faszinierende Einblicke in die Natur, die man sonst in dieser Intensität überhaupt nicht bekommt.
Wenn man solche Tarnzelte aufbaut, ist es wichtig, dass man nicht sofort das ganze Tarnzelt auf einmal aufbaut und dann sofort filmt, sondern dass man das in Stufen macht, über mehrere Tage hinweg, und dass man das Tarnzelt gut abtarnt, dass man also um den Stoff des Tarnzelts, - das können Sackleinen sein -, noch grüne Zweige anbringt, Fichtenzweige z.B. oder auch Laubholz, und dann ist das Tarnzelt wie so ein Busch, und der wird von den Tieren nicht als störend empfunden, und dass da dann noch ein Mensch drin sitzt, das können die Tiere nicht wissen, und deshalb stören sie sich auch nicht daran.
Das Tarnzelt hat vorne eine Öffnung, wo das Objektiv rausschaut, manchmal ein zweite Öffnung, wo ein Scheinwerfer rausschaut, um das Motiv aufzuhellen , das kommt bei Nestaufnahmen von Singvögeln oft vor. Und sonst hat das Tarnzelt eigentlich keine Öffnungen , die für den Vogel sichtbar sind; ich schau immer durch die Kamera oder durch den Stoff; dadurch dass ich Sackleinen verwende, ist der Stoff durchsichtig, d.h. ich kann aus meinem Tarnzelt durch den Stoff hindurch den Vogel beobachten, ohne dass er es merkt.
Erstaunlicherweise ist es so, dass sich eigentlich kein Vogel am Scheinwerferlicht stört. Selbst wenn man einen Vogel mit 270 Watt Tageslichtscheinwerfer aus 1 ½ Metern Entfernung anleuchtet am Nest, habe ich noch nie erlebt, dass den Vogel das wirklich stört. Es scheint so zu sein, dass ihm das wie so ein natürliches Sonnenlicht vorkommt, - also jetzt einmal vermenschlicht gesprochen - , also wie ein Lichtstrahl, der durch das Gebüsch irgendwie fällt, es stört die Vögel in der Regel nicht, das ist ganz erstaunlich. Es kann aber sein, dass der Scheinwerfer Wärme entwickelt und dass man ihn dann ab und zu wieder ausschalten muss, damit das Nest nicht zu warm wird.

Der Biologe, Tierfilmer, Vogelstimmensammler Andreas Schulze. Er wird nachher noch einmal zu hören sein, wenn er von denkwürdigen Begegnungen im Kronenbereich des Waldes erzählt. Wir freuen uns derweil an seiner Vogelstimmensammlung.

Vogelstimmen-Block C
Die Weißkehlammer verfügt über ein schönes, gleichmäßiges Motiv, im Intervall einer großen Terz aufsteigend (pfeifen), 2 Oktaven höher allerdings.
Während die Dachs-Ammer sich sozusagen auf die Fortspinnung des Motivs spezialisiert hat (pfeifen, 2 Formen).
47) CD 17/7 Weißkehlammer
48) CD 17/5 Dachsammer
Die Spornammer wiederholt eine schöne Traube aus Tönen in regelmäßigen Windungen, gewissermaßen in melodischen Achterschleifen:
Turríturrúturríturrú.
Der Ortolan dagegen gibt uns fünf Schläge und einen Quartsprung abwärts, der wie eine Frage klingt:
Tja tja tja tja tja / tjui
Und die Weidenammer singt süße Terzschleifer: 2 gleiche, dann einen höher gesetzten und ein variables Anhängsel:
Tíu tíu ríu ríu tse tse.
Interessant aber: das Motiv ist nicht ganz festgelegt, es verändert sich.
49) CD 17/10 Spornammer
50) CD 17/34 Ortolan
51) CD 17/48 Weidenammer
Der Goldregenpfeifer beginnt mit einer lockenden Tonwiederholung, die sich als Auftakt sehr schöner Sekund-Seufzer entpuppt, und auch die scheinen nur Vorspiel!
Dann aber kommt der wenig bekannte Wasserläufer KNUTT, mit seinen fallenden Halbtonschritten, jammernd eher als seufzend, übergehend allerdings zu einer expressiven großen Terz nach oben.
Doch zunächst der Goldregenpfeifer.
52) CD 5/21 Goldregenpfeifer
53) CD 5/32 Knutt
Auch andere Wasservögel kennen solche wohl doch weniger "jammernden" als begeisterten Rufe, zunächst ein Rotschenkel-Duett, dann die unglaublich aufsteigenden und pulsierenden Töne des Regenbrachvogels!
54) CD 5/62 Rotschenkel
55) CD 5/88 Regenbrachvogel
Die folgenden Töne spotten jeder Beschreibung: sanft angehoben, acceleriert, abgebremst, wie suchend in den Raum getupft, eine seltsame Meditation: die Wüstenläuferlerche.
Und danach die Heidelerche mit ihren feinchromatisch abfallenden Strophen und Prallern.
Noch deutlicher chromatisch gestuft der Gesang der Rotdrossel, und dann - na, Sie wissen schon: einer Ihrer besten Bekannten.
56) CD 9/10 Wüstenläuferlerche
57) CD 9/30 Heidelerche
58) CD 10/67 Rotdrossel
59) CD 10/50 Amsel
Natürlich - der unvergleichliche Meistersänger ganz zum Abschluss: die ganz gewöhnliche Amsel oder Schwarzdrossel.
Dürfen wir uns mit ihr oder vielmehr mit ihm, dem Drosselherrn, einen kleinen Scherz erlauben? - nur um seinen Gesang mit noch größerer Verwunderung wahrzunehmen: wir verlangsamen eine Strophe kontinuierlich, um in alle Winkel der Melodik horchen zu können. Das ist ein Studio-Experiment, das nicht zur Sammlung der 519 Vogelarten gehört.
60) Amsel-Strophe stufenweise verlangsamt, bei gleicher Tonhöhe
Oder ein anderer Versuch, nämlich die stufenweise Verlangsamung verbunden mit einer stufenweisen Absenkung der Tonhöhe, dadurch treten auch die höchsten Töne in einen für uns besser wahrnehmbaren Bereich.
61) Amsel-Strophe stufenweise verlangsamt und zugleich tiefer gesetzt

Meine Damen und Herren, Sie befinden sich immer noch in den Musikpassagen, die heute kreuz und quer durch Wälder, Felder, Sümpfe, Küstenstreifen, Wüste und Heidelandschaft führen. Am Mikrofon begleitet Sie Jan Reichow.

Eine abschließende Frage an den Sammler all dieser Schätze, den Biologen und Naturfilmer Andreas Schulze:
Gibt es ein besonderes Erlebnis, das Ihnen aus vielen intensiven Begegnungen in und mit der Natur besonders in Erinnerung blieb?
62) Interview Andreas Schulze

Ich habe manche Vogelstimmen an ganz entlegenen Plätzen aufgenommen, in einsamen Sumpfgebieten zum Beispiel, wo man nur mit der Wathose oder mit dem Boot zu den Tieren gekommen ist, oder auf Bäumen: Ich bin 20 Meter hoch in Baumkronen geklettert, in meine Filmverstecke gegangen, die ich dort aufgebaut hatte, hab dann vor diesen Verstecken aus, aus ganz geringer Entfernung in sehr guter Qualität Aufnahmen von Greifvögeln am Horst beispielsweise machen können. Einmal hatte ich einen Habicht gefilmt und wollte dann auch Tonaufnahmen von ihm machen und bin in mein Versteck geklettert, hab mit der Schnur die Tasche mit dem Tonbandgerät hochgezogen, und der Habicht ist ja eigentlich ein sehr scheuer Vogel, der dann wegfliegt erstmal, wenn man ins Versteck geht; und dann erst nach einer Weile wiederkommt. Aber der war nicht so, da ist das Weibchen direkt zum Versteck hingeflogen, als ich drin war, und hat aus 1 ½ Metern Entfernung minutenlang aus voller Kehle gerufen, weil es genau wusste, ich bin jetzt da in dem Versteck, und da konnte ich aus ganz geringer Entfernung und in guter Qualität das rufende oder das warnende Weibchen aufnehmen, und im Hintergrund hat man das warnende Männchen gehört. Die Vögel haben sich aber beide nach kurzer Zeit wieder beruhigt und sich ganz normal um ihre Brut gekümmert, ich hab also nicht so wahnsinnig stark gestört.
Angegriffen wird man von diesen Tieren eigentlich nie, es gibt eine Ausnahme: der Waldkauz, der ist gefährlich, da sollte man aufpassen! Wenn man also nachts an die Bruthöhle eines Waldkauzes geht, dann kann es sein, dass er einen angreift. Es gibt einen ganz bedeutenden Vogel-Fotografen, den Eric Hosking in England, der hat ein Auge sogar verloren auf die Art und Weise, obwohl er Berufsvogelfotograf war, und er hat dann seine Biographie später "An eye for a bird" genannt, "Ein Auge für einen Vogel".
Der Waldkauz hat eine besonders faszinierende Stimme, und zwar zum einen diesen schaurig heulenden Gsang, dieses "hu-huu" und dann gibt es aber die Rufe des Weibchens, vor allem etwa so: "ku-witt", und da der Mensch ja geneigt ist, alles auf sich zu beziehen, - das war früher noch viel stärker als heute -, hat man überlegt: das heißt im Grunde "Komm mit", und weil der Vogel vor allem nachts gerufen hat, hat man gemeint, da soll ein Mensch gerufen werden, er soll ins Reich der Toten folgen, und sobald jemand stirbt, ist also dieser Vogel sozusagen der Totenvogel, der ruft: "Komm mit, komm zu mir, ins Reich der Toten!"

63) wie 10) Waldkauz CD 7 Tr. 22 0:50

64) Mahler wie 4) "Wenn ich in den Himmel seh'" ab 1:02 bis 1:51
Zitat aus: Lieder eines fahrenden Gesellen Nr. 3 "Ich hab' ein glühend Messer..."
Dietrich Fischer-Dieskau, Philharmonia Orchestra, Leitung Wilhelm Furtwängler (1952)
EMI CDC 7476572 / LC 0542

Wenn Sie diese Sendung schon länger eingeschaltet haben, erinnern Sie sich: die kleine Sekunde in Mahlers "Liedern eines fahrenden Gesellen" - "O weh, o weh!", es ist ein ähnliches musikalisches Zeichen wie das des Waldkauzes, der nachts ums Haus streicht, der aber eigentlich nicht uns etwas sagen will, sondern seinem Weibchen, dessen Antwort "kiwitt" im Hintergrund zu hören ist.
Nicht einmal die Nachtigall klagt, so gern wir Schmerz und Sehnsucht aus ihren glucksenden Schlägen und gezogenen Crescendotönen heraushören. Das Nachtigallenmännchen sichert das Revier und erfreut sein Weibchen.

Und haben wir etwa Grund zu klagen? Es wird wirklich wieder Frühling. Es geht voran, noch ist auf das Klima Verlass. Der Sturm zu Silvester und "Kyrill" im Januar, vielleicht musste das einmal sein.
Gefährlicher als all diese sekundären und - wie jetzt immer deutlicher zum Vorschein kommt: vom Menschen verursachten Veränderungen - ist und bleibt der Mensch selbst - im Umgang mit seinesgleichen.

Ich denke gern an Afghanistan zurück.
Nie in meinem Leben habe ich so viele Frühlingslieder und entsprechend viele Liebeslieder gehört wie dort in Kabul und Mazar-e-Sherif, und nicht alle waren fröhlich, der Halbtonschritt "O weh" liegt vielen afghanischen Liedern strukturell zugrunde und kann nach Bedarf seine klagende Wirkung tun oder auch nicht.

Vor 35 Jahren schien es uns durchaus nicht gefährlich, nach Afghanistan zu reisen.
Abdul Wahab Madadi, der Sänger und Radiomann aus Kabul, hatte uns das Land mit viel Liebe ans Herz gelegt.
Niemand ahnte, dass die gigantischen historischen Buddha-Statuen in Bahmian eines Tages von den Taliban brutal weggesprengt werden würden und dass manch einer von den Volkssängern, die wir damals aufnahmen, eines gewaltsamen Todes sterben würde.
Madadi selbst hat Afghanistan schon vor Jahrzehnten für immer verlassen. Was Sie jetzt hören, ist eine Rückblende in die 70er Jahre.
65) Ausschnitt aus WDR 3 Sendung 14.12.2001 Open Freiraum 9:00
"Wir sind das afghanische Volk" (Abdul Wahab Madadi & Jan Reichow)
Beginn bei 29:29, Ende bei 38.28
a) Rubab-Solo "Shah Kokojan"

b) Abdul Wahab Madadi über Bahmian:
"Es wäre noch viel zu erzählen aus der Provinz Bahmian, neben Wundern von menschlicher Hand wie den Buddha-Statuen, müsste ich Ihnen die Wunder der Natur schildern. Den See Band-e-amir, etwa 80 km westlich von Bahmian, der so unglaublich blau ist und so unerforschlich tief, und dessen Wasser selbst im Sommer, wenn die Luft 36 Grad hat, eisig kalt wie Schneewasser bleibt.
Ich müsste von den drei heißen Mineralquellen erzählen, die man auf dem Rückweg an der Straße Hadjigat in Richtung Kabul findet. Die erste ist so heiß, dass man den Arm nicht hineintauchen mag; die zweite ist zum Bad und zum Schwimmen geeignet, und die dritte ist lau.
Auf der anderen Seite der Straße fließt ein Fluss, der kristallklares und sehr kaltes Wasser führt.
Hier haben wir damals auf der Rückfahrt von Bahmian das Nachtlager aufgeschlagen, Bier und Wein im Fluss gekühlt und immer wieder in der heißen Quelle gebadet, was jahrelang vor Krankheiten schützen soll.
Und wir haben gesungen, dass das Echo von den Felswänden widerhallte. Wir saßen am Flussufer, als der Mond gegen Mitternacht zwischen den Bergen erschien, und wir saßen noch da, als er wieder verschwand."


c) Liedtext
In deinem Nachtgewand habe ich dich
wie einen schönen Pfau gesehen,
ich sah dich fröhlich, keck und trunken vor Freude.
Besser noch ist es, deine Schönheit ohne Gewand zu sehen.
Ich freue mich, du meine Blume, dich ohne Gewand zu sehen.
Ein Begeisterungsschrei ist von meinem Körper ausgegangen,
Frühling der Hoffnung, als ich dich von Kopf bis Fuß sah!
Das ist eine Sache der Liebe, du Dichter Khalil, dass ich dich im Greisenalter
mit solchen Versen im Mund, Aufruhr im Kopf und Wein im Glase antreffe!

d) Farkhari-Lied mit Mohammed Tahari aus Tahar "Deine Gestalt ist schöner als die der Zypresse"
(darin: "Bulbul" und Pfeifen, Text s.u.)

e) Nochmals das Farkhari-Lied:
Mohammed Rahim Tahari singt mit Pir Mohammed Tscharikari aus Tscharikar:
"Wenn ich vor dem Tod Angst gehabt hätte,
wäre ich nicht dorthin gekommen, wo die Verliebten leiden.
Komm, gehen wir fort aus dieser Stadt.
Nimm diese Hand, und ich halte mich an dir fest.
Wir gehen fort, bis wir beide krank werden:
du wegen der Trennung von deinen Verwandten, ich aus Sorge um dich.
Wenn ich sterbe, wascht mich mit Wein, ich war ein Freund des Weines.
Wenn ihr mich am Auferstehungstag wiedersehen wollt, sucht mich unter Erde, vor der Tür des Weinkellers."

66) Ghitchak-Solo mit Nachtigall mischen, darüber die Absage:
Ghitchak-Solo: Baba Nur Mohammad mit Bangicha (Zerbaghali-Trommel)
World Network 28 Afghanistan 56.986 / LC 6759

Erinnerungen an Afghanistan mit Abdul Wahab Madadi; er hat auch die Übersetzungen der Lieder geschrieben, die von Gisela Claudius gelesen wurden.
Und ich muss noch eines hinzufügen:

Deine Gestalt ist schöner als die der Zypresse und die der Tanne.
Schön ist dein Muttermal, und deine Lippen sind schöner als Achat.
Deine Zähne übertreffen Perlen und Edelsteine.
O du singende Nachtigall im Garten! Singst du schöner als ich?
Du singst für die Blume, ich für meine Liebste,
aber weder die Blume noch die Liebste bleiben uns treu.

Afghanistan 1974.


Unsere Sendung geht zuende mit den letzten beiden Liedern aus dem Zyklus: "Lieder eines fahrenden Gesellen" von Gustav Mahler.
Da bleibt zuletzt nur der Blick auf den Lindenbaum, der seine Blüten über den nun ewig Schlafenden streut; ein anderes Glück als jenes, das er im Ruf des Finken am Morgen vernommen hatte: Wird's nicht eine schöne Welt?
Sie erinnern sich...?
67) Gustav Mahler "Lieder eines fahrenden Gesellen" 10:45
Dietrich Fischer-Dieskau, Philharmonia Orchestra, Ltg. Wilhelm Furtwängler (1952)
EMI CDC 7476572 / LC 0542
Lied 2 ab 2:58 bis (Ende) 4:41 Länge 1:43
"Nun fängt auch mein Glück wohl an?
Nein! Nein! Das ich mein, mir nimmer blühen kann."

Lied 3 "Ich hab ein glühend Messer in meiner Brust" 3:24

Lied 4 "Die zwei blauen Augen von meinem Schatz" 5:38
So enden die "Lieder eines fahrenden Gesellen" in der berühmten Aufnahme aus dem Jahre 1952:
Dietrich Fischer-Dieskau war damals 27 Jahre alt; das Philharmonia Orchestra spielte unter der Leitung von Wilhelm Furtwängler, der im übrigen ja die Musik Gustav Mahlers nicht liebte oder nicht verstand oder nicht verstehen wollte. Der junge Sänger hat ihn zu dieser wunderbaren Aufnahme förmlich überredet.

Sie hörten die Musikpassagen, heute mit dem Thema "Wird's nicht eine schöne Welt?" Der Ruf des Frühlings, - das glühend Messer in meiner Brust.
819 Vogelstimmen, ein Melodietyp aus Afghanistan und die "Lieder eines fahrenden Gesellen" von Gustav Mahler.
Zu Gast war Dr. Andreas Schulze, Biologe, Tierfilmer und Vogelstimmensammler.

67) Vogelstimmen CD 10/50 Amsel beginnt, bald unter folgenden Text)

Eine Liste der Aufnahmen, die in dieser Sendung gespielt wurden, wird gerade von unserem Produktionsassistenten Ralf Haeger zusammengestellt und ist demnächst auf der WDR3-Webseite der Musikpassagen zu finden. Auch unser Hörertelefon ist informiert, beantwortet gern Ihre Fragen und ist empfänglich für Lob, Tadel und Anregungen. 0180 5678 333 .
[ Weiteres finden Sie auf meiner eigenen Webseite. ]

Die Technik dieser Sendung lag in den Händen von Tim Schmitz und Timo Becker (Studio Rheinklang, Kön).

Durch die Sendung führte Jan Reichow, der Ihnen einen schönen Frühling wünscht und sich damit endgültig aus WDR 3 verabschiedet.

(Amsel hoch, in allgemeines Frühlingstimmengemisch übergehend )
Morgenstimmung WERGO Spectrum SM 9008-2 / LC 0846

Quelle der Vogelstimmen

Ein Standardwerk für die Ornithologie und für alle Vogelliebhaber:

  • Die Vogelstimmen Europas, Nordafrikas und Vorderasiens
    819 Vogelarten auf 17 Audio-CDs.
    Gesänge, Rufe und andere wichtige Lautäußerungen.
    Bearbeiter und Herausgeber: Andreas Schulze
    Tonaufnahmen: Archive Jean C. Roché, Claude Chappuis, Karl-Heinz Dingler, Andreas Schulze, Alfred Werle, Krister Mild, Guy Gibbon, Pavel Pelz und andere.
    Edition Ample
    Preis: EUR 69,95
    Bestell-Nr. 329.490 (LC 07125)
    ISBN 3-935329-49-0
    www.ample.de Bestell-Tel. (089) 89428391
    Bestell-Fax (089) 89428392
    E-Mail: ample@ample.de


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Bücher

  • Carl-Peter Lieckfeld, Veronika Straaß
    Mythos Vogel - Geschichte Legenden 40 Vogelporträts
    BLV München 2002 f ISBN 3-405-16108-8)

  • Gerhard Tielcke
    Vogelstimmen
    Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York 1970

  • Günter Tembrock
    Tierstimmenforschung
    A.Ziemsen Verlag / Wittenberg 1982

Ein Nachwort für kritische Hörer und Leser

Theodor W. Adorno:

"Was die Natur vergebens möchte, vollbringen die Kunstwerke: sie schlagen die Augen auf." (S.104)

"Schön gilt allen der Gesang der Vögel; kein Fühlender, in dem etwas von europäischer Tradition überlebt, der nicht vom Laut einer Amsel nach dem Regen gerührt würde. Dennoch lauert im Gesang der Vögel das Schreckliche, weil er kein Gesang ist, sondern dem Bann gehorcht, der sie befängt. Der Schrecken erscheint noch in der Drohung der Vogelzüge, denen die alte Wahrsagerei anzusehen ist, allemal die von Unheil. Die Vieldeutigkeit des Naturschönen hat inhaltlich ihre Genese in der der Mythen. Deshalb vermag der Genius, einmal zu sich aufgewacht, am Naturschönen nicht länger sich zu befriedigen...
... Denn das Naturschöne als Erscheinendes ist selber Bild. Seine Abbildung hat ein Tautologisches, das, indem es das Erscheinende vergegenständlicht, zugleich es wegschafft." (S.105)
Theodor W. Adorno
Ästhetische Theorie.
Hrsg. von Gretel Adorno und Rolf Tiedemann.
Frankfurt a.M. 1970; 13. Aufl., 1995



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