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WDR 3 Konzert Indische Abendmusik
mit Purbayan Chatterjee, Sitar, Sandip Banerjee, Tabla
Sendung 22. Februar 2006, 20:05 bis 22:00 Uhr
Skript der Sendung / Moderation: Jan Reichow
Redaktion: Werner Fuhr


Ergänzende Übersicht sowie Analysen und Notationen

Anmerkung: ergänzendes Material [Grafiken in neuem Fenster]:

Vorbemerkung

Was ich in der Sendung nicht sagen konnte: sie enthält eine der schönsten Aufnahmen indischer Musik, die mir in den letzten Jahren begegnet ist.
Es war eine reine Freude, täglich hineinzutauchen, - verbunden mit einer merkwürdigen Erfahrung, dass nämlich das Konzert, das ich im Bonner Pantheon ja unmittelbar erlebt hatte, sich im Nachhinein ständig vertiefte und fortwährend neue Perspektiven eröffnete, ohne an Lebendigkeit zu verlieren.
Im Gegenteil.

Ich habe nun versucht, es nicht bei der bloßen Begeisterung zu belassen, sondern das konkret Erklingende auch, soweit es mir zur Zeit (ohne weitere Rücksprache mit den Interpreten) möglich war, zu analysieren und zu "verschriftlichen". Ich halte diese Arbeit nicht für lebensfeindliche Vivisektion. Man darf dabei nur nicht vergessen, dass all dies live gespielt wurde, mit allen Qualitäten einer im Augenblick produzierten und wirkenden Musik, also einer Musik, die nicht nach der schriftlichen Form verlangt, nicht als "Werk" oder "Opus" überdauern will. Andererseits folgt sie Rahmenbedingungen des Ablaufs, der Tradition, der Improvisation und der Instrumentaltechnik, die durchaus im Verständnis der Musiker und der gebildeten Zuhörer derart objektiviert sind, dass sie ohne weiteres auch in schriftlicher Form darstellbar und daraufhin auch bis zu einem gewissen Grade lernbar wären, - wenn auch die mündliche Form des Lehrens und Lehrens, wie in Indien üblich, bei weitem vorzuziehen ist.

So ist es auch nicht verwunderlich, dass die in westlicher Notenschrift notierten Themen nichts, aber auch gar nichts von ihrer Eignung, ihrer Schönheit oder oder ihrer "Perfektion" verraten, wenn man sie nur gelesen, nie gehört hat. Man braucht die Vorstellung ihrer klingenden Gestalt. Die Schrift dient nur der Identifizierung, ist nichts als eine Erinnerungshilfe.
Aber für den, der in der westlichen Notation zu Hause ist, ist sie trotzdem - wie ich finde - viel sinnlicher und aussagefähiger als die Buchstaben-Notation, die man in vielen Büchern zur indischen Musik findet.

Wichtig ist es auch, den Tala, den rhythmischen Zyklus, zu realisieren: es wirkt leider unangenehm dozentenhaft, wenn in der Sendung ein solche rhythmische Periode von 1 bis 16 oder von 1 bis 10 vorgezählt wird, aber man versteht indische Musik nicht zureichend, wenn man nur darin "schwimmt", ohne ein Boot oder eine Boje in der Nähe zu wissen.
Im übrigen ist die Musik in der Aufführung weniger einem Ozean als einem Fluss zu vergleichen: man kann mit den Zehen sogar den Boden berühren, und man kann fortwährend die wechselnde Szenerie am Ufer betrachten. Kurz: es ist gut, die Sitar vom Verlauf der rhythmischen Ebene, also von der Tabla aus zu beobachten, da das Melodieinstrument zuweilen freier mit dem Tempo umgeht und rhythmische "Kontrapunkte" setzt, die man nur genießen kann, wenn man "auf dem Boden der Tabla" steht; umgekehrt sollte man bei jedem Tabla-Solo den formelhaft wiederholten Rahmen der Melodie beachten, mit dem die Tabla zuweilen auch "spielt".




Skript der Sendung

Sie hören eine Indische Abendmusik mit dem Sitar-Virtuosen Purbayan Chatterjee, aufgenommen am 27. November 2006 im Bonner Pantheon. Eine Veranstaltung der Deutsch-Indischen Gesellschaft Köln-Bonn in Zusammenarbeit mit WDR 3.
Durch die Sendung führt Jan Reichow.

Ein Tipp vorweg: wenn Sie am Computer sitzen, schauen Sie doch auf die WDR3-Internet-Seite zu diesem Konzert, es gibt da Skizzen zum Verlauf der Musik, die Sie hören werden. [ Raga-Hörhilfen ]

Meine Damen und Herren, Purbayan Chatterjee, Jahrgang 1976, gehört zu den großen Künstlern der jungen Generation. Selbst wenn man mit der klassischen Kunst der Raga-Darstellung noch nicht so vertraut ist, versteht man in seinen Konzerten unmittelbar, was die indische Presse meint, wenn sie die geistsprühende Vortragskunst dieses Künstlers rühmt. Es war, - so wurde geschrieben -, als habe die Sitar beschlossen zu singen, statt instrumental zu tönen. Was Purbayan Chatterjee nicht hindert, zugleich eine atemberaubende Instrumentaltechnik zu entfalten: die Einheit aller Elemente ist es, die seine Interpretation zu einem künstlerischen Ereignis höheren Ranges macht.

Der Konzertabend in Bonn umfasste eine große Raga-Interpretation und zwei kleinere. Wir möchten Ihnen vorweg das unverwechselbare melodische Flair der drei Ragas nahebringen: das Material, aus dem die Persönlichkeit des betreffenden Ragas entwickelt wird, zunächst in einer großen, rhythmisch ganz freien Einleitung, dem Alap, später in einem gebundenen, von der Tabla-Trommel begleiteten Teil. Der Tabla-Spieler des Konzertes ist Sandip Banerjee.

Doch hier ist zunächst die rein melodische Formel des lieblichen Ragas Sohani, mit dem der Abend ausklang:

1) Musik Sohani Roh-CD II Tr. 8 ab 0:00 bis 0:30 0:30
Und hier das melancholisch-romantische Wesen des zweiten Ragas an diesem Abend, Rag Jogkauns.
2) Musik Jogkauns Roh-CD II Tr. 2 ab 0:00 bis 0:45 0:45

Am Anfang des Konzertes stand der große Raga Maru Bihag.



Anmerkung: ergänzendes Material [Grafiken in neuem Fenster]:


3) Musik Maru Bihag Roh-CD I Track 2 ab 9:25 (Ende 10:00) bis 3 (0:12)
Dies ist natürlich nur eine Kurzformel; in der Realität nimmt die Entfaltung, die sorgfältige Enthüllung aller melodischen Feinheiten die Hälfte der ganzen Interpretation des Ragas Maru Bihag ein.
Dann erst tritt die Tabla-Trommel dazu und beginnt ihren Zyklus, an den nun auch die Sitar gebunden ist. Für den Zuhörer ist es sehr wichtig, das Thema zu erfassen, das genau einer Periode des Zyklus angepasst ist und häufig wiederkehrt. Durch dieses Thema, und durch seine später, im gesteigerten Tempo, verkürzte Fassung erhält der ganze Ragavortrag, auch in seinen improvisierten Teilen, eine klare Struktur.
Deshalb ist es sinnvoll, sich das Thema gut einzuprägen oder zumindest: es wiederzuerkennen. Hier kommt es zweimal, es sind also 2 Perioden des rhythmischen Zyklus, den man von 1 bis 16 zählt: Teental.
4) Thema (Composition) Maru Behag Tr. 4 ab 9:36 (9:59) dann Tr. 5 bis 0:46
Sie hören jetzt Purbayan Chatterjee, Sitar, - Solo.
Nach etwa 30 Minuten, nach einem Zwischenbeifall, tritt, genau bei diesem Thema, der Perkussionist Sandip Banerjee mit den Tabla-Trommeln dazu.
Raga Maru Bihag / Rhythmischer Zyklus oder Tala: Teental, 16 Zählzeiten.
5) Raga Maru Bihag "Alap" Tr. 3 29:02
Beifall 0:26
Forts. "Gat" Maru Bihag 29:12
Beifall (0:57) Gesamtdauer: ca. 60
Indische Abendmusik. Sie hörten den ersten Teil eines Konzertes, das am 27. November 2006 im Bonner Pantheon stattgefunden hat. Der Sitar-Virtuose Purbayan Chatterjee interpretierte den Raga Maru Bihag. An den Tabla-Trommeln begleitete Sandip Banerjee.

Im nächsten Raga des Konzertes, Rag Jogkauns, wird die Tabla schon nach 4 Minuten beteiligt. Der Tala-Zyklus heißt Jhaptat, das sind 10 Zählzeiten, und das darauf passende Thema bringt die romantische Stimmung des Ragas wunderbar zum Ausdruck.



Anmerkung: ergänzendes Material [Grafiken in neuem Fenster]:


6) Thema 1 Raga Jogkauns Roh-CD II Tr. 2 ab 3:53 bis 4:16
Im schnellen Teil wird ein anderer Zyklus, nämlich Teental, 16 Zählzeiten, gewählt und ein dazu passendes Thema eingeführt, natürlich im gleichen Raga. Es gibt keinen Raga-Wechsel innerhalb einer klassischen indischen Interpretation. Hier das zweite Thema.
7) Thema 2 Jogkauns (deutlich ausblenden) Roh-CD II Tr. 3 ab 3:58 bis 4:11

8) Ansage Purbayan Chatterjee 0:42
Raga Jogkauns 36:00
Beifall (1:05)


Anmerkung: ergänzendes Material [Grafiken in neuem Fenster]:


9) Ansage Purbayan Chatterjee 0:41

Raga Sohani 8:02
Beifall (1:01)
Gesamtdauer ca. 46:00

WDR 3 Konzert. Sie hörten eine Indische Abendmusik mit dem Sitar-Virtuosen Purbayan Chatterjee und Sandip Banerjee an den Tabla-Trommeln; zuletzt erklang der Raga Sohani, aufgenommen am 27. November 2006 im Bonner Pantheon. Eine Veranstaltung der Deutsch-Indischen Gesellschaft Köln-Bonn in Zusammenarbeit mit WDR 3.
Durch die Sendung führte Jan Reichow.

Ton und Technik: Gisela Bruns, Ingrid Koch, Walter Platte und bei der Produktion dieser Sendung Tjard Reimann.
Redaktion: Werner Fuhr.

Und hier geht es jetzt gleich ab 22 Uhr in eine Welt der Soundtracks, der für den Kinofilm komponierten Musik. Eine Welt, in der Musik Stimmung macht, Emotionen steuert oder auch einfach den Bildern zur Seite steht.
Weiterhin also - gute Unterhaltung!

Weiterführende Literatur und Bezugsquellen


Empfehlenswerte Bezugsquellen indischer Musik
  • Shefali Nag - Indische Tanzschule "Chhanda Dhara"
    Schwilkenhofstraße 51 A
    D-70493 Stuttgart (Germany)
    Phone: (++49) 0711 80 78 21
    Fax: (++49) 0711 80 46 78
    e-mail: chhanda-dhara-shefali-nag@t-online.de
    www.chanda-dhara-music-dance.de/html./catalogue.html

  • India Instruments GbR
    Yogendra Jens Eckert & Norbert Klippstein
    Autorstr. 23, 38102 Braunschweig, Tel./Fax 0531-798463
    Fischerhüttenstr. 54 c (Backsteinhaus), 14163 Berlin, Tel. 030-6211724
    www.india-instruments.de

  • RAGA MAQAM DASTGAH etc.
    Traditional Music from India and the Islamic World on CD
    Axel Elbin Füsilierstr. 4, D-40476 Düsseldorf, Germany
    tel & fax +49-211-4541122
    e-mail: info@Raga-Maqam-Dastgah.com
    www.Raga-Maqam-Dastgah.com



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