Sie befinden sich hier:
Jan Reichow > Startseite > Projekte März 2006 > Pressetext zum Vortrag 'Kindertotenlieder' (Hochdahl 21.3.2006)

Pressetext zum Vortrag von Jan Reichow
"Was vermag Musik?" - Gedanken zu den Kindertotenliedern von Gustav Mahler
am 21. März 2006 in Hochdahl, St. Franziskus Hospital 19:30 Uhr

Es gibt wohl kaum ein anderes Werk der musikalischen Weltliteratur, in dem die Schönheit der Kunst und die Härte der Realität so unversöhnlich aufeinanderprallen wie in den "Kindertotenliedern" von Gustav Mahler nach Gedichten von Friedrich Rückert.
Es entsteht die Frage, ob man der Vorstellung, dass Kinder leiden und sterben, eigentlich mit Musik begegnen dürfe. Ob der Trost, den Musik allein durch ihre fortdauernde melodische Lebendigkeit spendet, nicht bereits ein Verrat an den unschuldig Verstorbenen ist, denen die Entfaltung ihrer Lebendigkeit ja gerade auf immer versagt wurde.

Für Rückert war es eine Art Selbsttherapie: er schrieb nach dem Tod seiner beiden jüngsten Kinder mehr als 400 Kindertotenlieder, die im einzelnen um so erschütternder sind, je weniger sie literarisch gelungen sind.
Als Gustav Mahler fünf dieser Gedichte auswählte und sie auf einzigartige Weise in Musik verwandelte, sah er seine eigenen Kinder munter herumspringen, und seine Frau hatte durchaus recht, sich über ihn zu wundern:

" Ich kann es wohl begreifen, dass man so furchtbare Texte komponiert, wenn man keine Kinder hat, oder wenn man Kinder verloren hat. Schließlich hat Friedrich Rückert diese erschütternden Verse nicht phantasiert, sondern nach dem grausamsten Verlust seines Lebens niedergeschrieben. Ich kann es aber nicht verstehen, dass man den Tod von Kindern besingen kann, wenn man sie eine halbe Stunde vorher, heiter und gesund, geherzt und geküsst hat. Ich habe damals sofort gesagt: 'Um Gottes willen, du malst den Teufel an die Wand' ".
Es zeigte sich, dass Ihre dunklen Ahnungen berechtigt waren, andererseits verkannte sie die Ideenwelt Gustav Mahlers, die mit den engeren konkreten Lebensverhältnissen wenig zu tun hatte.

Dies wird also vielleicht ein Vortrag zu der falsch gestellten Frage:
Ist Musik wichtiger als Leben?
 



© Dr. Jan Reichow 2006Im Netz ... Jan Reichow < Startseite < Projekte März 2006 <
Pressetext zum Vortrag 'Kindertotenlieder' (Hochdahl 21.3.2006)