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Die Macht des Publikums (Gunter Gebauer S. 49 ff, Quellenangabe s.u.)
Im Fußballspiel ist die Bühne kein Raum, in den man hineinschaut wie im Theater. Das Spielfeld ist ein öffentlicher Platz, gebaut für die Leidenschaften, die hier in grellem Licht ausgelebt werden. Die Seiten des Platzes sind die Grenzen dieser Welt. An ihnen sitzen die Zuschauer. Sie bilden die Kanten der Welt, an denen das Spiel aufhört, aber auch immer wieder erneuert wird, wenn der Ball über sie hinausfliegt. Über sie hinaus geht kein Spiel; es gibt nichts jenseits des Platzes. Das Feld ist eine ganze Welt: Paradies und Hölle zugleich.
Gunter Gebauer: Poetik des Fussballs (S. 49 - 52) Frankfurt am Main 2006
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ASSOZIATIONEN... | ||
Daisetz T. Suzuki:
"Unbewegte Erkenntnis" am Erlebnis eines Stierkämpfers erläutert Der Stierkampf besitzt offenbar viel Ähnlichkeit mit der japanischen Fechtkunst. Dieser Bericht ist voll von höchst beachtenswerten Andeutungen, ich führe daher hier einen Teil der Anmerkung des Übersetzers und JUAN BELMONTES eigene Erzählung über den Stierkampf an, der ihm den Ruhm des besten Kämpfers seiner Tage verschafft hat. Bei diesem Kampf erlebte er jenen Gemütszustand, von dem in TAKUANS Brief an YAGYU TAJIMA-NO-KAMI die Rede war. Hätte der spanische Held eine buddhistische Schulung genossen, so hätte er sicher einen Einblick in die Unbewegte Erkenntnis gewonnen.
Die Anmerkung des Übersetzers lautet zu einem Teil folgendermaßen: 'Sowie mein Stier die Arena betrat, ging ich ihm entgegen, und beim dritten Schritt hörte ich schon das Geschrei der Menge, die von den Plätzen aufgesprungen war. Was hatte ich denn getan? Auf einmal vergaß ich die Zuschauer, die andern Stierkämpfer, mich selber und sogar den Stier. Ich begann zu kämpfen, wie ich sooft schon des Nachts in den Hürden und auf der Weide für mich allein gekämpft, und mit solcher Genauigkeit, als hätte ich eine Zeichnung auf einer Wandtafel zu entwerfen.' (S. 57) Quelle:
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Aus:
"Deep play": Bemerkungen zum balinesischen Hahnenkampf von Clifford Geertz (....)
Bei einem gut ausgerichteten Kampf mit hohem Einsatz, jener Art Kampf, die die Balinesen als "richtigen Hahnenkampf" ansehen, entsteht leicht der Eindruck einer entfesselten Menge, das Gefühl, dass unter all diesen winkenden, schreienden, stoßenden und übereinandersteigenden Menschen in jedem Moment das reine Chaos ausbrechen könnte. Dieser Eindruck wird durch die angespannte Stille nur erhöht, die ganz plötzlich eintritt, als habe jemand den Strom abgestellt, wenn der Schlitzgong ertönt, die Hähne niedergesetzt werden und der Kampf beginnt. (S. 225) Der Hahnenkampf erreicht es, verschiedene Erfahrungen des Alltags in einem Brennpunkt zu bündeln, von denen er sich als "nur ein Spiel" absetzt und an die er als "mehr als Spiel" wieder anschließt. So schafft er etwas, das man vielleicht nicht typisches oder allgemeines, sondern eher paradigmatisches menschliches Ereignis nennen könnte, denn es sagt nicht so sehr, was geschieht, sondern eher, was in etwa geschehen würde, wenn das Leben - was ja nicht der Fall ist - Kunst wäre und so eingeschränkt wie bei Macbeth und David Copperfield von Gefühlen bestimmt sein könnte.
All diese Nebeneinanderstellungen der großen Werte abendländischer Kultur mit niedrigen orientalischen Dingen werden sicher einige Ästhetiker in Verwirrung stürzen, genau wie frühere Bemühungen von seiten der Ethnologie, Christentum und Totemismus in einem Atemzug zu nennen, Verwirrung bei einigen Theologen hervorrief. (...) Jedenfalls ist der Versuch, den Kunstbegriff von seinen geographischen Beschränkungen zu befreien, nur ein Teil der allgemeinen ethnologischen Verschwörung, alle wichtigen sozialen Begriffe - Heirat, Religion, Recht, Rationalität - zu entprovinzialisieren. Auch wenn dies eine Bedrohung für ästhetische Theorien darstellt, die bestimmt Kunstwerke als einer soziologischen Untersuchung unzugänglich erachten, wird die Überzeugung, für die sich Robert Graves nach eigener Darstellung bei seiner Abschlussprüfung in Cambridge einen Tadel einholte, davon nicht bedroht: dass nämlich manche Gedichte besser als andere sind. (S. 257)
Quelle:
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